Vom Gedankenlesen, Möbelbauen und Zeit

„Die Sache mit dem Fass voll LSD“, ermuntert mich Kollege T., „muss unbedingt ins Blog.“

„Neee, kann ich nich machen, dann muss ich dem Owner wieder Rede und Antwort stehen, das wird viel zu kompliziert.“

Tackernd schweigen wir eine Weile, dann grinse ich und falle in nicht mehr zu haltendes Lachen.

„LSD im Fass! [pruuust] Ich fass es nicht!“ Die Kollegen T. und Sch. stimmen ein ins Lachkonzert.

Dienstags nach Ostern – es kommt mir vor wie eine Ewigkeit – dämmert mir, dass etwas nicht stimmt. Dass es nicht gut war, an Ostern nicht zu arbeiten.Nun schuften wir wie verrückt in der Tackerwerkstatt und stündlich kommen neue Meldungen vom Owner, die die Anzahl der in dieser Woche zu bauenden Möbel in empfindliche Höhen treibt. Dienstagsabendes notierte ich mir sämtliche Werte, sage „Adieu Wochenende“ und multipliziere die Anzahl der Möbel mit einem entsprechenden Stundenfaktor: „75 Arbeitstsunden allein bis Donnerstag“, konstatiere ich. Kollege T. staunt, kratzt sich am Kopf: „Ist zu schaffen; Mitarbeiterpotenzierung und Zeitextrahierung“, murmelt er, tacktack, tacktack, tackitacktacktack.

Wie auch immer. Die Woche der Arbeit rollt über uns wie ein Tsunami. Heute Donnerstag, haben wir zu dreineinhalbt die 75 Stundenmarke geknackt. Ich bin erst gegen 20 Uhr zu hause eingetrudelt und eigentlich hocke ich nur noch hier am PC, weil mir die Sache mit dem Fass voll LSD so gut gefällt.

Liebenswerter Owner – auf geradezu masochistische Weise finde ich es spannend, wenn er die neuen Zahlen gewünschter und tunlichst neu zu bauender Möbel übermittelt; eine Eventagentin im Süden der Republik macht ihm die Hölle heiß und ruft ihn dauernd an, den großen Auftrag mit dem 40-Tonner voller Möbel so und so nach ihren Wünschen zu ändern.

Wir Tacker sind nur Bauern im großen Loungemöbelschach. Deshalb dürfen wir Witze machen über alles und jeden, auch über den Owner. Einer unserer Lieblingswitze ist, dass der Owner glaubt, man könne Gedanken lesen. „So steht es in unserem Arbeitsvertrag, man muss Gedanken lesen können, wenn man hier arbeitet“, sag ich. „Ich habe gar keinen Arbeitsvertrag,“ antwortet Kollege Sch. „Wir auch nicht“, sagt Kollege T. „Brauchen wir ja auch nicht“, füge ich hinzu, „unsere Verträge sind doch im Kopf vom Owner, jederzeit lesbar.“

Lachen, schallend. Es geht gegen 18 Uhr. Kollege T. jammert, dass es heute schlecht läuft, wir mit dem Möbelbauen nicht voran kommen.

„Wieso? Der Tag hat doch gerade erst angefangen.“ sag ich.

Lachen schallend. Dafür, dass wir schon bald 10 Stunden hier sind, sind wir ganz schön fröhlich. Kollege T. rechnet vor: „Der Tag hat 36 Stunden und ein Arbeitstag hat 48 Stunden, wir haben Zeit ohne Ende.“

Lachen, schallend.

Aber die Krönung ist sicher T.s Feststellung, der Owner ist als Kind in ein Fass LSD gefallen, weil er glaubt, wir könnten Gedanken lesen und wir hätten Superkräfte.

So ähnlich.

Die Geschichte, Ihr Lieben, hab ich mir jetzt aber wirklich ausem Leib gerissen. Das mit den vielen Stunden ist nämlich gar nicht mal so unwahr.

5 Antworten auf „Vom Gedankenlesen, Möbelbauen und Zeit“

  1. zwischen garten und großer wäsche auch sehr gelacht.
    gestern irgendwo gelesen, nina hagen habe im LSD-erlebnis zu gott gefunden. so kann`s auch gehen.
    ich habe im selbigen rausch vor ca. 97 jahren mal jemandem heißen tee über die füße geschüttet und dachte, er brüllt wegen der grad untergehenden sonne so laut…
    gruß von sonia

  2. Doch .. der Gedanke hat was, denk mal, wie lange so ein Fass voll reicht … oder an Spätfolgen;-)
    Danke, dass Du trotz Vielzuvielstunden die kleine Zeit erobert hast fürs bloggen:-)
    Grüssle,

  3. Irgend einen geheimnisvollen Zusammenhang gibt es zwischen megaviel Arbeit und Kreativität. Vielleicht ist das Schreiben eine Art, sich der Fremdarbeit entgegen zu stemmen?
    Sonia, da hattste aber Riesenglück, dass es nur heißer Tee auf Füße war und nicht wie bei Burroughs eine Kugel in den Kopf des Lebenspartners.

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