Ein 64 Meter tiefes Loch bohren

Es ist tatsächlich so, wie Bredenberg im Kommentar im Artikel zuvor sagt: die guten Ideen kommen früh und wenn man sie nicht sofort aufschreibt, gehen sie verloren. Mal ist es eine Szene wie aus einem Film, mal ein kurzer Dialog, mal die Idee für eine skurile Figur, die man als Held eines Romans ausformulieren könnte, manchmal sind es einige avantgardistische Satzfetzen.

Wenn ich montags nicht ins lederne Notizbuch gekritzelt hätte : „Schulmädchen wartet im Regen auf Bus“ und mich anhand dieser Notiz nun erinnern kann: Kollege T. saß neben mir im Auto und sagte: „Es ist neun Uhr, das ist viel zu spät für die Schule.“ – „Na gut, die will zum Pornocasting“, scherzte ich politikalisch incorrekt und wir lachten die dreihundert Meter bis zur Arbeitsstätte – wenn ichs nicht ins Notizbuch geschrieben hätte, ich hätte das glatt vergessen. Genauso wie das 64 Meter tiefe Loch, das wir im Prinzip gebohrt haben binnen weniger Stunden an diesem Montagmorgen. Einige Teile der Möbel, die wir bauen, müssen nämlich mit Löchern versehen werden, damit man sie verschrauben kann. „Nur noch 2000 Stück,“ sagte Kollege T., „dann haben wir es geschafft.“ – „wieviel Meter issen das, 2000 Stück?“ frage ich. Kollege T. grübelt, das Ding ist 16 mm dick, macht bei 2000 Stück 32000 Millimeter und da es zwei Löcher sind, die wir bohren sind das 64 Meter. Boa.

Was noch ins Notizbuch gekritzelt? „Ein Tag zum Ende-der-Liebe-Story-schreiben, unterbrochen durch Werbung.“ Puuh, das ist starker, antikapitalistischer Tobak, garniert mit der Pflicht zu fühlen. Müsste ich jetzt viel nachdenken, um die Skizze auszuformulieren, mache ich jetzt nicht, leg ich mich lieber ins Bett.

Was bleibt ist das graue Bild vom Mädchen unterm Regenschirm, verloren an der Überlandbushaltestelle. Ich kenne den Maler, der dieses Bild malen könnte, Cousin S.

3 Antworten auf „Ein 64 Meter tiefes Loch bohren“

  1. Solche Miniaturen sind mir meist lieber als ganze Romane. Ein paar sprachliche Pinselstriche – und schon entstehen malerische Parallelgeschichten im Kopf.
    Dem grauen Bild vom Mädchen unterm Regenschirm und deinem Notitzbuch sei Dank!

    Gruss, Brigitte

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