Kollege T. in der Falle: Bordeaux

Was hab ich gegrübelt, letzte Woche, nachdem ich mich an Saarschleuse Nr. 15 von Pilger T. trennte, er nach Süden weiter radelte. Gegrübelt, ich sei klugscheißerisch, besserwisserisch, texte ihn zu mit seltsamen Tipps für Reisende, die da lauten: was nass wird, wird auch wieder trocken, oder wenn du dein Zelt in der Nähe einer Straße aufbaust, überlege dir, ob die Autoscheinwerfer nachts in dein Zelt strahlen. Lauter solche Binsenweisheiten habe ich gesagt und kam mir hinterher vor wie ein Volksschullehrer. Doch so war es nicht. Ich war nicht klugscheißerisch genug und habe ihm den wichtigsten Tipp vorenthalten.

Konnte ich auch ahnen, dass er nach Bordeaux reinfährt. Nichts gegen Bordeaux und Großstädte im Allgemeinen. Als Radler jedoch sollte man folgende Tipps berücksichtigen. Rein gehts immer Richtung Centre Ville. Tritt auf stark frequentierten Straßen ordentlich in die Pedale. Schau nie zurück. Trage einen Helm. Bete. Raus gehts, indem man die Großrichtung zur nächsten Stadt anpeilt und sobald möglich die hochfrequentierte Straße verlässt. Die Stadtrandbezirke sind in Frankreich etwas unheimlich. Vor allem, wenn man die Bilder, die man aus dem Fernsehen kennt, verinnerlicht hat: Brennende Autos, Barrikaden, vermummte Gestalten, seltsame Gruppen südländisch aussehender Typen, die am hellichten Tag sich zusammenrotten und einen von Ferne anpöbeln. Bekloppte Motorradfahrer, die hunterte Meter weit auf dem Hinterreifen fahren und dich unschuldigen Radler von der Seite anbrüllen. Meist wollen sie nur spielen. (Ich erzähle Lyon, welches ich so erlebt habe, allerdings ohne brennende Autos.)

Der wichtigste Tipp ist daher: versuche nicht nach 18 Uhr in eine Großstadt zu radeln, wenn du dort keinen Lagerplatz weißt. Einst jammerte ich in Como, und das ist bei weitem keine Großstadt, weil die Hotels zu teuer waren und ein Verlassen der Stadt in der Dunkelheit geradezu unheimlich war. Zudem liegt Como in einem Talkessel, klassische Ameisenfalle. In Como verbrachte ich eine unangenehme Nacht im Eingang eines Supermarkts. Vollmond. Seither beherzige ich die Regel, Großstädte nur bei hellichtem Tag anzulaufen.

Konnte ich ahnen, dass T. schnuppernd und neugierig wie eine Katze den heutigen Tag in den Weinfeldern nördlich der Stadt zubrachte und sich die Orte, die er sonst nur von Etiketten kennt in Echt betrachtet. Er vergeudete kostbare Minuten. Gegen Dunkelheit rief ein gar verunsicherter T. mitten aus Bordeaux an, er fände keinen Campingplatz, die Hotels seien zu teuer und an der Jugenherberge habe man den abgerissenen Tramper vor ihm gerade abgewiesen. Ich möge mal auf den Karten schauen, ob es einen Campingplatz gäbe. Ich SMSte: Gardignan 9km Südwest via N10, Talance, dann D1010 ca. 1km außerhalb an D1010.

Ein guter Tipp wäre auch gewesen, die S-Bahn bis Marcheprime zu nehmen und sich dort in die Pampa zu legen. Sieht auf den Googlekarten echt malerisch aus.

Später telefonierten wir noch einmal. Man hatte ihm doch noch ein Zimmer in der Jugendherberge gegebn. Viel war ihm nicht zu entlocken. Die letzten drei Tage habe er Gegenwind gehabt, gar nicht motivierend, gestern 140 km gebrettert. Morgen werde er versuchen per Zug nach Bayonne zu fahren. Von dort ist es nur eine Tagesetappe bis Saint Jean Pied de Port, dem Tor zum Camino Frances. Und ab diesem Ort ist der Jakobsweg für den Pilgertourismus vermutlich perfekt erschlossen.

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Eine Antwort auf „Kollege T. in der Falle: Bordeaux“

  1. der arme T.! was täte er bloss ohne dich?
    hast du dir schon überlegt, deine dienste und talente im fahrrad- & pilgerreisen-coaching (zukünfig) zu vermarkten? *zwinker* … bestimmt DIE marktlücke!

    spass beiseite! schön für T. einen freund wie dich zu haben.

    e schöne obe, janaluna (alias sofasophia)

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