Vom Druck

Vor Kurzem habe ich eine Balkonsequenz geschrieben, dass man auf einem Balkon mit Geländer nur 30 cm vor dem Abgrund gemütlich plaudern kann, während man einen Balkon ohne Geländer nie betreten würde.

Eine nicht vorhandene Schutzvorrichtung baut Psycho-Druck auf.

Sänger O., dem ich mein Atelier als Proberaum überlassen habe, spielte neulich bei dem TV-Spektakel Schlag den R. um 2,5 Millionen Euro. Die Show ist in 15 Einzelspiele gegliedert, Sportspiele, Wissensspiele und Geschicklichkeitsspiele. Man muss stets hoch konzentriert sein auf das jeweilige Spiel.

In Aussicht gestellte 2,5 Millionen Euro erhöhen den psychischen Innendruck eines Menschen so sehr, dass er jegliche Konzentration verliert.

Gestern Abend benutzte ich das Barometer, das mir Journalist F. geschenkt hat, um die Höhendifferenz zwischen einsamem Gehöft und dem Tal zu messen. Ich wollte das schon immer mal wissen. Später, während der Radeltour, las ich alle markanten Werte auf dem Höhenmesser ab und addierte im Kopf sämtliche gefahrenen Höhenmeter zu einer ungefähren Summe von 260. Dass ich während des Ablesens, Rechnens und Merkens, nicht viel von der schönen Gegend mitkriegte, bemerkte ich erst viel zu spät.

Während einer Tätigkeit einer anderen, unwichtigeren Tätigkeit nachzugehen, ohne dass dies nötig wäre, entschärft die Sinne, verblasst das Leben.

Wenn ich mich in die Verwaltung dieses Blogs einlogge, bleckt mir als erstes eine Übersicht mit Statistikkurve entgegen. So sehe ich bei jedem Artikel, den ich schreibe, wieviele Gäste pro Tag das Blog geklickt haben. Dann werde ich manchmal ganz hysterisch, du musst sie zufrieden stellen und etwas Geniales reinschreiben, sonst hauen sie wieder ab und niemand liebt dich. Arme kleine Quotensau.

Eine Blogstatistik baut dem Blogger einen unerträglichen Druck auf und verleitet ihn, Halbreifes, Ungares, Fehlerhaftes zu veröffentlichen.

Im Grunde handelt es sich bei dem Druck-Problem, egal ob es um einen Balkon geht, Statistiken, die Doppelbelegung des Geistes, oder 2,5 Millionen Euro um, von außen diktierten Rhythmus. Unter Druck kannst du nie du sein.

Notiz an mich selbst: erkenne die Lebens-Drücke, analysiere sie, nimm ihnen die Kraft.

5 Antworten auf „Vom Druck“

  1. Jeden Tag ein kleiner Kampf gegen falsche Maßstäbe und um die Erhaltung der eigenen Authentizität. Zugestanden. – Allerdings: die Blogstatistik als „unerträglichen“ Druck zu bezeichnen … also ich weiß nicht. Wie wäre es mit Ignorieren?

  2. vielleicht ist bloggen so ähnlich wie im pyjama durchs treppenhaus zu gehen, ungeduschte schreibe, spontan und gerade deshalb authentischer als ein buch?

    lass dich bloss von den statistiken nicht unterkriegen! nimm ihnen die kraft und steck diese dann in deine kreativität! :-)

  3. so kann es auch sein, nämlich, dass ich mich von deiner hochgradig exzellenten schreibe unter druck gesetzt fühlte…könnte sein, ist ab und zu der fall, stell dir vor, hätteste nich gedacht, wie?
    begnadeter junger mann, bitte weiter so….und statistiken find ich toll neugierlichkeiten befriedigend, odrrrr?
    wink

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