Noch immer keine Kündigung. „Die Zeit arbeitet für dich“, sagte heute Morgen Anwalt K., „lehne dich zuirück“. Im Zurücklehnen war ich schon immer groß. Das ist meine Disziplin (was für eine Lüge!). Die Tage verbringe ich mit dem Aufarbeiten alter Homepagedinge. Kunstverein hier, Omnibusseite da. Ein bisschen Kosmetik an meinen Internetleichen. Endlich schreibe ich längst überfällige Rechnungen. Ich war arrogant die letzten Monate, habe alles Freischaffende schleifen lassen, noch nichteinmal das Geld, das noch aussteht wollte ich haben. Nun weht ein anderer Wind.

Leider habe ich auf den Freischaffenden-Hickhack überhaupt keine Lust. Die Lohntackerei war einfach großartig: du gehst abends nach Hause und im Kopf herrscht eine wunderbare Stille. Mittlerweile ertappe ich mich wieder, nachts aufwachend, über Dateisysteme nachzudenken, und wie man Domains umleitet oder irgendwas austestet, damit es im Netz schön aussieht. Im Hinblick auf die nächste Woche sollte ich einen Crashkurs Dreamweaver machen. Künstler Sch., pflegt damit nämlich seine Seite. Leider kennt er das Programm nicht. Deshalb hat er mich einbestellt, Pflegearbeiten vorzunehmen. Ich wünschte, ich hätte ihn damals, als er die Seite aufgesetzt hat, davon überzeugen können, dass er auf den Wysiwyg-Editor verzichtet. „Ich muss das tun, damit ich es selbst machen kann“, hat er gesagt. Nun kann er es immer noch nicht selbst, und ich muss die Scheiße retten. Habe also das Problem, als einfacher HTMLer, der nur den Quelltext kennt, mich dem Willen des Programms zu unterwerfen.

Lebe jeden Tag, als wäre es dein letzter, behaupten gewisse Lebensweisheiten.Ich habe darüber mal nachgedacht: es geht nicht, jeden Tag so zu leben, als wäre es der letzte. Denn man glaubt nie, dass der Tag der letzte ist. Deshalb macht man einen Kompromiss nach dem anderen an das Leben.

Was würde ich denn tun, wenn ich wüsste, dass Morgen der letzte Tag wäre? Wahrscheinlich mich einfach ins Bett legen. Das ist ein Problem: vielleicht wäre der morgige Tag nur dann mein letzter, wenn ich nicht im Bett läge. Ein LKW würde mich vielleicht überfahren. Kann er aber nicht, wenn ich im Bett liege. Es ist unwahrscheinlich, dass ein Meteorit das Dach durchschlägt und mich im Bett liegend trifft. Kurzum: der letzte Tag ist gar nicht der letzte und somit muss man ihn auch nicht leben, als wäre er der letzte. Was für eine Kunstbübchenlogik.

Große Lust hätte ich, Künstler Sch. anzurufen und ihm den Termin abzusagen, stattdessen nach Speyer fahren und ein paar Tage auf dem Pfälzer Jakobsweg wandern.

Der Jakobsweg hat, wo immer er auch verläuft, eine gewisse Dimension in meinem Kopf, erlangt.

Es ist so anders, als vor einem Jahr. Vor einem Jahr hatte ich Pläne, die durch eine schlimme Krankheit vernichtet wurden. Nun habe ich keine Pläne, aber auch keine Krankheit. Bin ich also glücklich?

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

%d Bloggern gefällt das: