Spätschicht, gerettet

Was macht Herr Irgendlink? Er rettet Daten. Buchleichen aus irgendwo im Netz.

„Die Spätschicht bringt mich um den Verstand. Deshalb habe ich das Fenster geöffnet, lausche dem Regen, stelle mir vor, das Plätschern ist eine codierte Botschaft. Jeder Tropfen eine Information. Das Wellblech verstärkt jedes Geräusch, egal, ob ein Tier übers Dach huscht, oder ob Nüsse vom Baum fallen.

Die Besucher des Waldhauses reagieren manchmal hysterisch, wenn Nüsse aufs Dach knallen. „Das sind Tiere, sie morsen eine Botschaft,“ sage ich dann.

Den Regen zu erklären würde wohl den Rahmen dieses Buches sprengen. Er lässt sich mit gesundem Menschenverstand nicht fassen. Wenn man oft draußen ist und sich ihm aussetzt, kann man eine Ahnung davon bekommen, was er mitzuteilen hat. Nur eine Ahnung, mehr nicht.

Ich habe den Computer ans Fenster gerückt. Die Luft ist feucht und frisch. Wenn der Regen nachlässt, hört man die Quelle. Auch das 14 Grad kalte Wasser aus dem Boden könnte eine Botschaft sein.

Am Waldrand lärmen Rehe. Bei diesem Wetter fühlen sie sich sicher. Kein Jäger wagt sich hinaus.

Nach Feierabend pflege ich derzeit Ali zu beobachten, wie er in den Toyota steigt. Ich habe noch nicht heraus gefunden, ob sie es ist, die ihn abholt. Vorgestern habe ich es versucht. Ich folgte ihnen, so gut das möglich ist, mit dem Fahrrad. Es gibt nicht viele Ampeln in der Stadt, die sie aufhalten könnten, also trat ich mächtig rein. Das Auto wurde kleiner und kleiner, verschwand hinter einer Kurve. Beim Schwimmbad holte ich sie wieder ein, weil die Wasserballmannschaft gerade ihr Training beendet hatte und sie warten mussten, bis der Corso frisch gefönter Wasserballer die Straße überquert hatte. Weiter ging die Jagd, die längste Straße der Stadt hinunter, stets die kleiner werdenden Rücklichter im Focus, vorbei an der Abzweigung zum Kino. Einen Film werden sie sich wohl nicht ansehen. Was haben sie vor? Sie passierten alle gängigen Kneipen und bogen am Stadtrand in ein Neubaugebiet ein, wo ich ihre Spur verlor. Trotzdem radelte ich weiter. Hier können sie nicht verschwinden. Das Baugebiet ist ein geschlossener Kern von feinen Einfamilienhäusern in allerbester Lage. Nur eine Straße führt hinein. In dem Gebiet geht es labyrinthisch zu. Ich folgte der größten Straße, welche nach einer Frauenrechtlerin benannt ist, bog in eine Seitenstraße, forschte nach dem Auto. Nichts. Fahl standen Straßenlaternen. Sie können doch nicht einfach verschwunden sein. Straße um Straße forschte ich nach dem Toyota. Ein Mann mit zwei Hunden beäugte mich argwöhnisch. Ich fuhr jede Sackgasse bis zum Ende, machte an einem Spielplatz Halt, rauchte eine Zigarette, erinnerte mich Karls Dilemma. So muss es sich anfühlen, er zu sein, dachte ich. Du suchst und weißt nicht was Du suchst, hechtest vielmehr einer Vermutung nach. Auf deinem Zick-Zack-Kurs durch die Welt landest du immer wieder in Sackgassen, kehrst enttäuscht den Rücken im Wendehammer. Der Rückweg ist dein ständiger Begleiter. Wenn du eine Schlacht schlagen würdest, wäre sie von vornerein verloren. Aber du bist nicht im Krieg, schlimmer, du befindest dich mitten im Leben, in einer Zeit des Friedens. Der Tod, den du auf dem Schlachtfeld ohne weiteres finden würdest, ist dir verwehrt. Du musst weiterleben. Weiterleben heißt Umkehr. Zurück zur Hauptstraße. So durchwanderst du, Sackgasse um Sackgasse, diese Welt.

Vielleicht ist das Waldhaus meine Sackgasse? Tagein tagaus kehre ich hierher zurück. „Aber das ist doch der Sinn der Heimat,“ werden eifrige Leser nun sagen.

Karl sagt: „Das Waldhaus ist das Zentrum.“ Nein, er sagt: „Das Waldhaus ist das Zentralgestirn. Von ihm gehen alle Kräfte aus. Es strahlt. Du bist Teil dieser Kraft.“

Ich hoffe, er hat recht.

Während ich so über Karl sinnierte, den blauen Dunst beim Spielplatz genoss, schöpfte ich neue Kraft. Ich vergaß sie für einen Moment. Ali war mir sowieso egal. Ich saß auf einem Pfosten, hatte die Beine ausgestreckt, beobachtete die Sterne in den Wolkenlöchern.

Dann quietschten Reifen im Neubaugebiet. Ein Auto brauste mit hoher Geschwindigkeit die Frauenrechtlerinnenstraße hinunter. Ich brauchte nicht hinzusehen. So fährt nur sie – wenn sie eine Auseinandersetzung mit ihrem Freund hatte.“

3 Antworten auf „Spätschicht, gerettet“

  1. irgend!
    :)

    das kerlchen hast du nicht gesehen, weil wir damals an der ecke nicht vorbeigekommen sind; standen nur mal gegenüber, quasi, auf der anderen seite der passenden kreuzung, als wir uns verabschiedeten.
    an dem teilchen hab‘ ich mehr gemacht als eingeockert … diverse ebenen, abwedeln hier, löschen da, einockern und vorher filtern wie doof – wie das halt ist, wenn du ein eigentlich unbrauchbares bild aus der handycam ziehst.

    der spike des kollegen a. wäre aber gut, am end, als spürhund mit mini-kamera, zum verfolgen von ali, denke ich mir. oder ist ali kollege a.? dann müsste er doppel-agent sein, spike, und ob das gut geht …

    fröhliche grüße von hier nach da!
    u
    :)

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