Das Limo-Gleichnis – oder das Diktat des angebrochenen Liters

Eine angebrochene Limoflasche in der Mittagspause. Wie sie in der Sonne glänzt. Herr Irgendlink leerte sie in einem Zug, noch bevor er sich wunderte, warum er das tat. „Warum habe ich die Flasche bis auf den letzten Tropfen ausgetrunken? Wollte ich wirklich einen halben Liter Limo trinken? Waren es nicht eher 0.33 Liter oder vielleicht vier Schluck?“

In dieser Mittagspause diagnostizierte Herr Irgendlink das Diktat des angebrochenen Liters.

„Warum richten wir Menschen uns nach vorgegeben Maßen,“ philosophierte Herr Irgendlink, „was, wenn in der Limoflasche fünf Liter gewesen wären? Hättest du sie getrunken? Warum essen wir unsere Teller leer, rauchen die Zigarette bis zur Schrift? Erkennen wir etwa erst, wann genug ist, wenn das äußere Maß es uns sagt? Das äußere Maß. Oh ja. Um es in Zeitgöttern auszudrücken, es ist Chronos; und Kairos, das innere Maß, selbständig zu wissen, wann es genug ist, ist sein Gegenspieler.“

Nach dieser Mittagspause philosophierte Herr Irgendlink still. Und er tat es in der nächsten und übernächsten Mittagspause auch. Nach einer gewissen Zeit begann er den Urmeter zu hassen, weil er die Messlatte aller Penislängen ist. Weil er stellvertretend für alle von Menschen erfundenen Maße quasi als Symbol für das Diktat von Außen steht. Nach mehrwöchiger Denkzeit begann Herr Irgendlink langsam zu begreifen, dass der Mensch – nein, er wollte dies nicht verallgemeinern – dass mindestens der Mensch Herr Irgendlink in gewisser Weise von außen von von Menschen definierten Maßeinheiten diktiert wird und dass der Mensch, mindestens aber Herr Irgendlink, nicht tatsächlich selbst bestimmt, wieviel Limo er trinkt.

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