Wir müssen die Regler zurückschieben.

Ein Artikel über die Sache mit dem Paradies und wie es verloren ging.

Ist einige Testamente her, seit Eva den Apfel nahm und alles aus dem Gleichgewicht geriet.

„Es handelte sich womöglich um ein Experiment,“ sagte Journalist F. neulich. Wir saßen am Lagerfeuer. Funken sprühten in die Luft. Das Holz knisterte. Katzter strich um die Sträucher. Es dämmerte. Von Süden wummerte die Stadt. „Erich von Däniken mutmaßt, das Paradies könnte ein geschlossenes gentechnisches Experiment gewesen sein,“ verriet Journalist F. „Als sie den Apfel gegessen haben, war die Sache verdorben und sie wurden aus dem Container hinausgeworfen.“

Seit ich neulich morgens aufgewacht bin und halb schlafend phantasierte, warum nicht alle Menschen glücklich leben, geht mir die Sache mit dem Paradies nicht mehr aus dem Kopf. Im Halbschlaf sind die Gedanken rasend schnell und man begreift Dinge, ohne sie erklären zu können. Trotzdem erscheinen sie einem logisch. Das menschliche Gehirn ist ein gar seltsam Wunderding. Eben noch dachte ich an Afrika oder Asien, Lepra, Kinderarbeit, all das Leid, rieb mir den Schlaf aus den Augen, stellte fest, dass ich glücklich bin – warum nicht die Anderen? Diese Kinder in Indien zum Beispiel, die im zarten Alter einen Großteil unserer Grabsteine brechen? Oder die chinesischen Wanderarbeiter in den 30-Millionenstädten des Reichs der Mitte?

Mir wurde klar, dass uns Menschen zumindest eines gemeinsam ist: wir alle streben nach Glück. Aber unsere Ausgangspositionen sind per Geburt grundlegend verschieden. Es gibt nur wenige Millionen Schumis auf Pole-Position in der ersten Reihe. Die meisten dümpeln weit hinten im Feld. Viele haben kaum eine Chance, sich überhaupt über die Startlinie zu bewegen.

Das kumulierte Leid in der Welt ist riesengroß.

Im Abstraktum namens Paradies war das nicht der Fall. „Damals war die Welt in Takt,“ sinnierte ich, noch immer verschlafen. Ich kochte Kaffee, spazierte durch den Garten. Hier in der Blase des Glücks, weit oben auf meinem einsamen Gehöft jenseits der Stadt lässt sich prima die Welt begutachten. Im Kleinen wie im Großen ist es doch wohl so, dass die Dinge eine bestimmte Zeit im Takt laufen, dann aber aus den Fugen geraten. Das ist wie eine Rückkopplung bei einem Rockkonzert. Ein leiser Ton zu viel schleicht sich in die Lautsprecher, wird verstärkt, gelangt zurück in den Konzertsaaal, nun schon etwas lauter geht er den selben Weg durch Lautsprecher und Verstärker und wird von Mal zu Mal schriller. So könnte es, Erich von Däniken zum Trotz, doch auch gewesen sein, oder? Das Bild ist leider nicht so anschaulich, wie die Gentechniksache und bedient sich des Apfels als Metapher für den winzigen Impuls, der alles aus dem Lot brachte.

Vieles funktioniert nach dem Prinzip der Rückkopplung. Ein anschauliches Beispiel könnte ein Nachbarschaftsstreit sein: die Äste des Baums wachsen über die Grenze. Nachbar A. nimmt einen Apfel von dem Ast, der auf seinem Grundstück hängt. Nachbar B. bezichtigt ihn des Diebstahls. Die Stimmung verschlechtert sich. Nachbar A. und B. geraten in eine Rückkopplungssituation, indem sie sich gegenseitig schikanieren bis alles in einer Resonanzkatastrophe resultiert.

Dieses Prinzip, lässt sich auf alles im Leben übertragen, seien es Liebesgeschichten oder weltwirtschaftliche Konflikte. Die Welt wie sie heute ist, zeigt sich als eine gigantische sich anbahnende Resonanzkatastrophe.

Gut zu wissen, dass erfahrene Tontechniker durchaus in der Lage sind, die Katastrophe zu verhindern und die Kräfte zu kompensieren, wenn sie die Regler zurückschieben.

Nicht zuletzt jener Rat, den der große QQlka vor über zehn Jahren in Bezug auf die Liebe gab: „Man muss die Waffen strecken, wenn man sich wirklich liebt.“

Und das Paradies? Es ist eine schäumende Blubbermasse, bestehend aus Blasen des Glücks in all dem Elend. Jede Blase ein kleines Paradies.

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