Das Übel dieser Welt

Der Mond klatscht meinen Schatten auf Asphalt. Ist schon spät. Ich sehe einen Kopf, Hände am Fahrradlenker, Hörnchen, Bremshebel, sogar die Klingel erkennt man als scharfen Riss. Daneben Straßenmarkierung, Obstbäume, blühende Felder. Stoßatmung. Der Kreuzberg ist steil. Schon habe ich die Stadt verlassen. Dort vorne ahnt man das einsame Gehöft inmitten eines Rapsackers. Ein eigenartiges Glühen liegt in der Dunkelheit. Die Sterne im Norden verschmelzen mit der immer beleuchteten Militärbasis oder der Müllkippe oder mit beidem.

Das Übel in dieser Welt liegt in Neid, Unwissen, Ignoranz oder ganz einfach darin, dass man diejenigen, auf die man neidisch ist, über die man nichts weiß, oder mit denen man gerne einen Krieg anzetteln würde nicht kennt.

Wirklich ganz einfach. Vor dem Feind steht das Feindbild. das kann man sich im lokalen Fall aus Klatsch und Tratsch mit den Nachbarn zusammenbauen. Im überregionalen Fall versorgt man sich mit Halbwissen aus Presse und Internet.

Ist es nicht so, dass man über Menschen urteilt, ohne sie persönlich zu kennen? Man kennt eigentlich nur ihre Schattenrisse.

Und da Schattenrisse mitunter ziemlich unheimlich sein können, bekommt man Angst und die Angst führt zur Abgrenzung, lässt einen sich abwenden, davonlaufen oder einen Krieg anzetteln.

Solche Dinge denkend kurbelte ich Mount Kreuzberg hinauf, den großen Zweibrücker Berg, auf dem auch die schicke neue Fachhochschule, die Sternwearte und noch so einiges Interessantes zu finden ist. Natürlich das einsame Gehöft, weit in den Rapsfeldern, welches heute in einem ganz anderen, eigenartigen Licht erscheint. So als wäre ich fremd oder müsse nicht mehr zurückkehren oder könnte daran vorbeiradeln – jawoll – einfach weiter weiter weiter Richtung Norden. Ausnahmsweise habe ich auch ordentlich Geld in der Tasche, Fremdwährung.

Trotzdem habe ich noch die Kurve gekriegt, weil ich mich in letzter Sekunde an das frisch bezogene Bett erinnerte.

Nun hier, dies schreibend.

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