Künstler ist geduldig

Gestern besuchten mich die Informanten H. und D. (genannt „die Marder“, weil sie tagein tagaus damit beschäftigt sind, günstige Materialquellen aufzutun und die Fundstücke in ihrem riesigen Lager unter zu bringen). Sie fläzten auf der Freilandcouch, beäugten den Garten. Hühner gackerten, ich stieg von der Leiter, wo ich in vier Metern Höhe damit beschäftigt war, die obere Strebe des zweiten Fensters im Beton zu verankern. „Warum nimmst du kein Doppelglas?“ fragten sie. „Ich habe keins.“ erwiderte ich. „Unten in der Mühlstraße steht ein großer Container mit alten Fenstern. Kannst ja mal vorbei schaun, vielleicht schenken sie dir etwas.“

Die Aussicht auf Doppeglas brachte meine Augen zum Glänzen. Ich stellte mir schweres, kantiges Zeug vor, welches genau die Größe hat für die Fensterlöcher, die ich generiere.

Also runter in die Stadt, wo die Arbeiter sich im Tausch gegen das Versprechen, Glas raus, Kiste Bier rein, kooperativ zeigten. Wie ein Wackeldackel beäugte der Vorarbeiter die leicht gekleideten Damen in der Fußgängerzone: „O leck was  do Fotze rumlaafe,“ gestand er in bestem Saarpfälzisch. Der Pakt war geschlossen. Beim Beladen des Anhängers querte der Marder D. Wir hielten ein Schwätzchen, „na hat doch geklappt,“ sagte er stieren Blickes auf ein nahestehendes Cabrio, in dem eine blendend aussehende Mittvierzigerin saß. „Ich darf gar nicht hinschauen,“ sagte er, „die macht mich verrückt.“

Da wunderte ich mich über die Vielfalt der Frühlingsgefühle der Männer dieser Stadt.

Bar jeglichen Testosterons lud ich weiter. Vielleicht war es die nüchterne Erkenntnis, dass eine wartende Frau in einem Cabrio ungefähr so weit weg ist, wie ein Komet im Weltall und die Bekundung, O leck, was für Weiber hier herumlaufen, nur eine Art Männlichkeitsritual ist.

Das Format der Fenster läuft leider aus dem Takt. QQlka hatte versucht, das Glas vom Rahmen zu trennen und eines der Fenster beschädigt. Man kann die Dinger also nicht in die selbst gebauten Designerrahmen einkleben. Ich kann sie fürs Atelier nicht benutzen. Trotzdem 20 Quadratmeter auf den Hänger geknallt, schließlich hat mein Vater eine unverglaste Halle (bei der es nicht so sehr aufs Design ankommt).

Fazit: Glas verzeiht keinen Fehler, Holz auch nicht. Papier ist geduldig. Silikon, sagt man, sei es auch.

Und der Künstler erst recht.

3 Antworten auf „Künstler ist geduldig“

  1. ein gelungener tag, würde ich sagen! wenn solch volksnahe beobachtungen und schöne formulierungen wie „bar jeglichen Testostorons“ und „Die Aussicht auf Doppeglas brachte meine Augen zum Glänzen“ dabei herausspringen….das bestechende fazit nich zu vergessen!

    lieben gruß aufs geduldige gehöft
    die freihändige (bar jeglichen silikons)

  2. die feinsinniche mimose, die wo ich bin, hat leicht bis mittelscharf verschrocke dies test. worte gelesen. so eener schreckt jo vor nix zurück, muss`n tolles ES gewesen sein im cabrio. grins.
    gruß von Lu

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