Runderneuert durch die Nacht wieder ran an den Feind

Unendlich langsam geht es voran. Die Arbeiten an der Webseite, dieser hier, sind mühsam. Im Grunde habe ich es mit einer fast zwölf Jahre alten Datenbank zu tun, die neu organisiert werden muss. Inspiriert und ein bisschen getrietzt durch Twitterfreundin Vera @kaffeebeimir  habe ich begonnen, die Seite übersichtlicher zu machen und meine Kernkompetenz, das Livetexte-von-unterwegs-Schreiben nach vorne zu kehren.

Eigentlich ist das, was man an dieser Stelle sieht, nichts anderes, als eine Kombination verschiedener Datenbanktabellen. Alle Elemente des Blogs sind in einer großen Liste sortiert, deren Spalten und Zeilen miteinander verkettet sind. In der Liste finden sich Texte wie dieser, dazugehörig die Überschrift, das Datum, Schmuckgrafiken, sogar individuell einblendbare Linklisten, falls gewünscht. Ein Blog ist wie Cocktailmixen. Die Zutaten liegen in einer Datenbank. Mit der Irgendlinkschen Datenbank, die im Laufe der letzten zwölf Jahre gewachsen ist, könnte ich vermutlich verschiedene Ansichten generieren. Verschiedene Ansichten eines Langzeitbloggerlebens. Wahrscheinlich könnte ich mit ein bisschen Aufwand die Person Irgendlink sogar als vollkommen unterschiedliche Personen darstellen. Als reiner Fotokünstler, als Schriftsteller, als Webdesigner, Arbeiter, Lehrer, Journalist, als ganz normaler Mensch, aber das Eine würde dem Anderen ohne das nochmals Andere und viele andere ‚Anderes‘ nicht gerecht. Ich bin eine spätkapitalistische, virtuelle Mischperson, deren digitale Spur ein Leben aus Fleisch und Blut nachzeichnet. Nicht Künstler, noch Schriftsteller, noch sonst irgendwie konkret festlegbar.

Folglich bin ich ich.

Der Webdesigner in mir rät übrigens davon ab, ein Blog im ‚Livebetrieb‘ umzubauen, so wie ich das gerade tue. Immerhin ist jede Änderung direkt öffentlich sichtbar und somit auch die Fehler und Verwirrungen, die man vielleicht erzeugt.

Der Künstler in mir erklärt, warum ich es trotzdem tue. Ich bin kein Konzern oder ein wirtschaftliches Unternehmen, bei dem sich Konfusionen durch tollpatschigen Umgang mit der Webpräsenz direkt auf den Umsatz auswirken. Ich kann es mir sozusagen leisten unperfekt zu sein. Manchmal ärgert das den ordnungsliebenden Alltagsmenschen in mir und der selbstbauchpinselnde Narzisst in mir denkt, vielleicht vergraule ich Besucherinnen und Besucher, wie stehe ich denn da, aber dann denkt sich das Tier in mir, das einfach nur atmen will und existieren, ach, was solls, die Irgendlink-Blogsache ist doch sowieso für länger angelegt und das Jetzt spielt in diesem Blog nur dann eine Rolle, wenn mal wieder live gereist wird und man täglich dem ‚Artist in Motion‘ auf den Rad- und Wanderwegen dieser Welt folgen kann.

Sei einfach. Und gut.

Frisch installiert denkt sich der Irgendlink-Forscher in mir, der in einer fernen Zukunft lebt und dieses digitale Monument (also eigentlich die Datenbank) durchforstet: Neben den in Echtzeit ins Blog projizierten Livereisen war das Blog ein Archiv, ein Künstlerleben, das dokumentiert wurde.

Ich bin mir über die Magie der Selbsarchivierung in Blogform erst in den letzten Monaten klar geworden. Es wird zunehmend eine Quelle für mich selbst, ein Fundament. Eine Rohstoffquelle. Es birgt Schätze, vermutet derjenige in mir, der die Andienung an den Markt noch immer nicht aufgegeben hat.

Manchmal bin ich am Verzweifeln darüber, dem Chaos aus Datenbrei nicht Herr zu werden. Dann, wenn ich alte, überbordende Informationsstränge gekappt habe und durch neue, prägnantere ersetzt habe und es fehlt noch was und ich habe die Linkstruktur und die Möglichkeit zu weiteren Informationen unterbrochen. Es ist auch schwer, als Insider zu sehen, was einem als Von-draußen-Kommendem fehlt.

In diesen Momenten, in denen ich gerne alles hinwerfen würde und mir selbst entmutigt sage, ach, lass, das liest doch sowieso kein Schwein, hilft oft nur Abschalten. Gutseinlassen. Computer aus. Hinlegen, schlafen, aufwachen, durch die Nacht runderneuert wieder ran an den Feind.