Kauf dich frei mit dem Einkaufswagen-Euro

Bei Aldi, wo mich ein pummeliges Mädchen verfolgte, Fisch, Wein und Butter kaufte und sodann, bei den Handys im Glaskasten, mit mir zusammenrempelte, wir uns entschuldigten.
Doch das tut nichts zur Sache.
Vor der Tür saß ein Bettler. Nein, er kniete und hielt einen Hut, in dem sich einige Münzen befanden. Weil der Bettler so jung war, konnte ich mir Gedanken wie: „Wieso arbeitet der nicht?“ nicht verkneifen. Kam schließlich aber zu dem Schluss, dass es in unserer Gesellschaft einfacher ist, zu arbeiten, als zu betteln. Will sagen. Er macht das nicht zum Spaß und nicht aus Faulheit. Sondern weil er keine andere Wahl hat. Man lässt sich ja so gerne von Äußerlichkeiten blenden. Wenn ein Bild zeigt: junger, gesunder Mann auf Straße hält Hand auf, ist man geneigt, zu krakeelen: „Der Penner, was tut der!? Soll was arbeiten!“ und so weiter und so fort. Das individuelle Schicksal bleibt auf der Strecke.
Ich hab mich oft gefragt, wenn ich einem Menschen begegnet bin, wie er just an dieser Stelle des Lebens landen konnte. Wie er so werden konnte, wie er in dem Moment, als er mir begegnete, wirkte. Egal um wen es sich handelte, egal ob reich oder arm, glücklich oder vom Pech verfolgt. Stets sah ich ein Abbild. Man könnte sagen ein Portrait. Nicht die Wirklichkeit. Die Wirklichkeit, das ist der Rattenschwanz an Erlebnissen und Verquickungen, die den jeweiligen Menschen bis hierher, bis direkt vor meine Augen gebracht hat.
Es ist die bösartige Fratze des Vorurteils und der Ignoranz, die einen die Bilder, die man sieht, so interpretieren lässt wie man sie interpretiert.
Wie dem auch sei.
Mit einem schmutzigen Einkaufswagen-Euro kaufte ich meine Gedanken frei, verstaute leckere Lebensmittel im Auto und fuhr zurück zum einsamen Gehöft.

Vom Bloggen in Zweimacdonalds

Die letzten Tage sind anstrengend. Eine unterschwellige Erkältung begleitet mich. Es gibt viel zu tun. Termine entstehen wie aus dem Nichts. Das Leben gerät zum Spießrutenlauf. Heute ist zwar Sonntag, trotzdem muss ich mir noch einen Text aus dem Hirn winden, denn das Stipendium in der Gropiusstadt wird in einem Katalog gewürdigt. Die Künstler selbst müssen die Texte schreiben. Texten für die Kunst ist Strafarbeit. Wie einfach hingegen ist das Bloggen. Es ist Freestyle. Es erfindet sich selbst. Es ist das unentdeckte Land der Buchstabenkritzelei. Durch die Möglichkeit, direkt zu kommentieren und die Blogeinträge – theoretisch – mit anderen Blogs zu verflechten, entsteht ein dreidimensionales Textwerk, ein Gitter wie Diamant. Vielleicht handelt es sich auch um literarische Fraktale oder sonst etwas schwer Verstehbares.

Wie dem auch sei. Sitze am PC und will nicht so recht ran an den Zwecktext. Die Sonne kommt hervor, wirft lange Schatten am Silo. Hab den Gasheizer eingeschaltet, weil ich sowieso nur noch eine Stunde hier in der Künstlerbude bleibe und es sich nicht lohnt, den Holzofen anzukurbeln. Kaffee versehentlich aus dem Zahnputzbecher. Bin mächtig verpeilt dieser Tage.

Ich glaube, die Jahreszeit ist schuld. Deshalb bin ich ein glücklicher Mensch, denn ich weiß, in ein zwei Monaten sieht die Welt schon ganz anders aus. Ich erinnere mich, 2005 in einem ähnlich konfusen Zustand gestartet zu sein. Nicht wissend, womit ich das Jahr, rein materiell, überstehen könnte, düster und wirr im Geist. Ahahaha (hysterisch lachend).

Gestern Abend in einer merkwürdigen Stimmung die Galerie B. verlassen, so dass ich das kurze Stück, auf der A 8 Richtung Heimat brausend, gar nicht mehr wusste, wo ich eigentlich bin und was für ein Tag war. Da kam mir in den Sinn, Menschen, die auf Bergen wohnen, sterben im Tal und Menschen, die den Sommer lieben werden irgendwann vom Winter geholt. Derart konfus quer durch Zweibrücken, vorbei an den beiden Mac Donalds, fabulierte ich, man könnte der Stadt einen neuen Namen geben: Zweimacdonalds, mindestens so lange bis es drei Mac Donalds gibt oder bis acht der zehn Brücken abgerissen werden.

Ihr seht, ich bin mächtig konfus dieser Tage. Nicht ganz bei Trost, aber nun, nach dieser kleinen Auflockerungsübung, habe ich eine Idee für den Katalogtext. Hey ho lets go.