Sieht verdammt nach dem Spätzug aus, morgen früh zur Arbeit. Zwölf Uhr nachts ist einfach keine Zeit mehr für mich. Konnte ich während der Lohntackerei bequem bis drei Uhr lumpen und texten, weil ich tagsüber mit Handwerklichem beschäftigt war, würde ich nun auf der Arbeit einfach ins Koma fallen. Bürojobs sind einfach nichts für mich.

Aber ich darf entwarnen. Es gibt jede Menge Stories; brilliantes Zeug, das sich im ledernen Notizbuch sammelt.

Zum Beispiel: Zick-Zack-Junge oder Die Erlernung der Langsamkeit und Der Gebenedeite des Weizenackers. Dem Thema Dienstgang muss ich ein eigenes Kapitel widmen. Gegrüßt wird auch wieder regelmäßig, um Heil in die Welt zu bringen.

Problem: ich bin diesertage einfach 16 Stunden unterwegs, einerseits um zu arbeiten und den Rest verbringe ich mit Gesundheitsterminen. Ins Krankenhaus gehts auch mal wieder. Das wird ein Spaß.

Aber vorhin, da gab’s wirklichen Spaß beim Kollegen der Herzen, T. Ordentlich gegrillt.

Hum. Zick-Zack-Junge hätte ich gerne noch geschrieben. Solche Spinner trifft man nicht alle Tage und wenn solche Spinner Spinnern wie mir begegnen, entwickeln sich gar bizarre Stories. Die Geschichte verdient alle Aufmerksamkeit – und die kann ich jetzt nicht geben.

Das Schicksal will nicht, dass ich um 8 mit der Arbeit beginne. Fahrradschloss vergessen, Zug verpasst; auf halbem Berg umgedreht, zurück zum einsamen Gehöft. Sind ja immerhin 10 km, die ich täglich mit dem Radel auf dem Arbeitsweg zurück lege. Und über 100 Höhenmeter.

Besorgniserregender ist mein Rücken: er will wohl nicht, dass ich überhaupt arbeite. War vielleicht keine gute Idee, mit dem Möbelbauen aufzuhören (ich hatte den alten Job schon länger in Verdacht, eigentlich eher Rückengymnastik zu sein, denn Arbeit ;-) )

Den Spruch habe ich gesucht im Hirn: „Das Leben ist ein Amt ohne Wiederkehr“

Glücklicher Weise habe ich ihn ins lederne Notizbuch gekritzelt. Er ist bei Weitem nicht so gut wie mein geliebter Wahlspruch: „Das Leben ist eine Kombination verschiedener Gewohnheiten“

Ich genieße diese Tage. Heute war ja Feiertag, Vatertag, auch Herrentag genannt – für nicht-Deutsche: Männer ziehen in Gruppen mit kleinen Handkarren voller Bier durch die Gegend, betrinken sich und feiern die Vaterschaft.

Seit Jahren praktiziere ich an diesen Tagen eine gewisse Prophylaxe.

Die Radeltour mit den Ex-Kollegen führte über 40 km über Stock und Stein und vier schöne Waldhütten. Wir verhüteten den Exzess, obschon er gerade in der letzten Hütte mit dem sündhaft billigen Bier ohne Probleme möglich gewesen wäre. Keine besonderen Vorkommnisse. Nur ein  leicht Verletzter wegen Sturz in Linkskurve – dass es aber auch immer die Linkskurven sind, die uns das Genick brechen. Fit wie nie. Ich könnte pilgern und ich darf Euch etwas verraten: ich werde pilgern, zwei Tage lang, nächste Woche mit dem Kollegen der Herzen, T. Vielleicht schaffen wir es gemeinsam bis Metz, von wo aus ich mit dem Zug retour fahre und er weiter radelt nach Santiago.

Jawohl T., die Starthilfe sei dir sicher, egal ob es regnet oder schneit. Versprochen.

Journlist F.s Antischokolade-Theorem

Gnädige erste Woche – wenn ich denn über die neue Arbeit bloggen würde, was ich ja nicht darf, denn ich habe gelobt, es nicht zu tun, würde ich erstmal ein paar Begriffe prägen. Die Arbeitsstelle hieße Amt für organisierte Kultur. Der Chef hieße Dienstherr oder Owner-reloadet. Die Kollegen würde ich nach den Anfangsbuchstaben ihres Vornamens nennen, außer Frau Sch., die würde Frau Sch. heißen. Im Schrank des Büros würde ich ein schwarzes Loch oder eine Zeitanomalie definieren, in der sämtliche Schokolade, die ins Amt für organisierte Kultur gelangt, verschwindet.

Journalist F. hat mich auf das Schokoladenphänomen aufmerksam gemacht: „Wenn du in dem Schrank fünf Tafeln Schokolade ablegst, sind sie nach spätestens zwei Tagen verschwunden. Restlos. Keiner wird gesehen haben, wer sie gegessen hat und auf keinen Fall wird auch nur ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin je davon gegessen haben. Mehr noch – das Phänomen ist geradezu gruselig – wenn du nämlich eine Hochgeschwindigkeitskamera in dem Schrank installieren würdest, die 20.000 Bilder pro Sekunde macht, so wirst du auf dem Film allenfalls einen grauen Schatten sehen, der nach der Schokolade greift, letztlich ist eine Tafel pro 160.000 Bilder realistisch für das geheimnisvolle Verschwinden von Schokolade in diesem mysteriösen Schrank. Ich vermute, es handelt sich um einen Antischokoladeschrank. Im Regal treffen Schokolade und Antischokolade aufeinander und jeder weiß ja aus der Materieforschung, wie das ist: wenn Materie und Antimaterie zusammenkommen, verpuffen sie im Nichts.“

Männlein-Meeting

Das ist nicht richtig. Das läuft total quer. Du darfst es nicht zulassen. Die Welt ist korrupt. Wir treiben im Strudel des Konsums. Stechender Schweißgeruch nach 20 Uhr in diesem riesigen Supermarkt mitten in der Stadt. Alle Kassen sind besetzt und die Angestellten mit den gelben Hemden – bei aller Liebe zu Lebensmitteln – sehen gar verdrossen aus. Wenn man allen Schmerz, den die Belegschaft in dieser Sekunde empfindet, Verspannung, Sorgen, Kopfweh, Stress, Unmut und Ärger auf einen einzigen Körper projizieren würde, so würde dieses Wesen auf der Stelle sterben. Mehr noch, es wäre auf der Stelle nie geboren worden, so groß ist das Leid im Monstermarkt kurz nach Acht. Ich brauche Puddingpulver und Grillzeug. Aber wie ich so durch den Markt laufe und mir die Hektik betrachte, die langen Schlangen an den Kassen, die genervten Väter mit den genervteren Müttern und den verdrossenen Kindern, glaube ich plötzlich „Nichts brauchst du, du willst“.

Vor der Tür begegnete mir ein verschwitzter Radler mit mörderisch Gepäck, keine Ahnung, wie lange er schon unterwegs war, woher er kam, wohin er wollte. Meinen Gruß ignorierte er. Der Himmel sah nach Gewitter aus und ein Auto mit Sonderlackierung und Spoilern brauste auf den Parkplatz. Der Auspuff röhrte und aus dem Fenster schallte HipHop. „Männlein“, rief ich ins offene Fenster und flüchtete in den Laden. Männlein nenne ich diese Typen mit dem künstlich aufgemotzten Superschwanz namens Auto.

An der Kasse spürte ich für den Moment rein telekinetisch den verspannten Rücken der Kassiererin. Ich weiß etwas von Rücken. Wie sie hektisch tippte und Kunde um Kunde durchnudelte bis ich an der Reihe war. Ein kurzer Moment Ruhe genügt oft, um Verspannungen zu lösen. Es ist wie wenn man einen Weg in eine Richtung geht unter Qualen und verzweifelt versucht, anzukommen, je eher desto besser, aber an diesen Kassen arbeitend kann man nie ankommen. Man kann sich abends müde in den Schmutz der imaginären Straße legen, um frühmorgens an den Arbeitsplatz zurück zu kehren. Ich glaube, es war mein seltsamer Gruß, der die Kassiererin für einen Moment aus der Hektik befreite. Es war ein interessierter, mitfühlender Gruß, kein dahingerotzter Pflichtgruß, wie wir es schon beinahe instinktiv tun. Sie lächelte dankbar und sie kassierte ein bisschen langsamer, hatte ich den Eindruck. Weiß nicht, ob ich ihr helfen konnte.

Wir sind einfach auf dem falschen Weg, wir Menschen. Ich erinnere mich noch an die Zeiten, als die Läden um 18 Uhr schlossen, als mittwochs nachmittags grundsätzlich geschlossen war und man montags keinen Friseur auftreiben konnte. Was ist aus uns geworden? Eine Horde hektisch hetzender Marathonläufer, die eher sterben würden, als langsamer ins Ziel zu laufen … ahahaha, Ziel, was hab ich gesagt, Ziel gibt es doch gar nicht. So: wozu die Hektik, warum die Schrauben so unbarmherzig anziehen?

Wieder draußen auf dem Parkplatz, hatten sich zu Männlein zwei weitere Männleins gesellt und an der Motorhaube eines aufgemotzten Polo lehnte eine dick geschminkte Schönpuppe mit Ohrringen so groß wie Radkappen. Na das kann ja ein suuper spannender Abend werden, dachte ich, ab durch die Nacht, laute Disco, Mixgetränke, Zungenküsse, Petting …

Unbedingt Sonderlackierung ans Fahrrad.