Hallo Welt

Liebe Welt,
Nach einem Blog-Upgrade-Marathon und ein paar Querelen mit dem I-Telefon ist dies nun mein erster Mobilfon-Blogbeitrag auf Irgendlink.de. Ich werde Dich nächste Woche besuchen in Frankreich, liebe Welt und über Dich berichten.

Vom Tackerhof ins Djungelcamp

Mein Vorschlag, einen Barbier in die Werkstatt zu bestellen, der uns alle rasiert und die Haare schneidet, wurde aus Zeitnot leider abgelehnt.

Wie ich mich also aus den Federn quäle, gestern extrafrüh und in den Rasierspiegel starre, schabschab, kratzkratz, das ewige Auf und Ab der Rasierklinge, das ewige Rein und Raus der Zahnbürste und das Hin und Her von wasweißdennich – seit Ostern bin ich um Jahre gealtert.

Ins Djnugelcamp müsste man mich mal einladen, phantasiere ich vor dem Spiegel. Warum immer nur diese B-Promis, die abgehalfterten Filmdiven, die heruntergekommenen Schlagersänger. Als Blogger ist man doch auch irgendwie prominent und abgehalftert. Den Machern des Djungelcamps würde sich sogar eine ganz neue Zielgruppe erschließen (IQ 140+). Oke, hier gibts eigentlich nur 20 Leserinnen und Leser, aber vielleicht mit ein bisschen viraldingsda und hin und her und weitersagen? Im Djungelcamp hätte ich es besser, als in der Tackerwerkstatt. So träume ich vor dem Spiegel, während ich den Viertagebart abschneide. Sehe mich schon als hysterischen kleinen Kübelbock, wie er unter dem Kakerlaken – Verzeihung TackerlakenFass liegt, gruselig schön. Liebend gerne würde ich lebende Schlangen essen, mit haarigen Spinnen ins Bett gehen, Smalltalk mit den B-Leuten.

Den Kollegen T., Sch. und dem Owner hab ich noch gar nicht erzählt, dass wir demnächst in Australien sind …

Traum und Wirklichkeit sind leider differgent. Ich glaube, der Owner plant einen Roadtrain zu kaufen, diese 120-Tonnen LKWs, die es normalerweise nur in Australien gibt mit zwei, drei oder vier Anhängern; im ersten Anhänger das Mini-Atomkraftwerk, das die nötige Energie für die Tackerwerkstatt im zweiten Anhänger liefert, im dritten Anhänger das Lager und im vierten und größten und Kristallglasvertäfelten Anhänger das Büro … doch zurück in die Wirklichkeit: Kollege T. erwähnte gestern gegen 19 Uhr erstmals, dass er dieses Tackergeräusch nicht mehr hören könne, geradezu allergisch darauf reagiere. Er schob mir einen Zettel über die Werkbank, auf der er seine Hochrechnung bis zum Ende des Auftrags notiert hatte: 24 Stunden standen unter dem Strich, also nur 12 pro Nase. Sonntage haben glaub ich nur zwölf Arbeitsstunden, oder?

PS: als Comfort-Gegenstand nehme ich ein schneeweißes Loungemöbel mit in den Djungel.

Pilger der Herzen

Ich sollte vorweg nehmen, dass, wenn ich dieser Tage einen Feierabend hätte, ich geschäftig mein Fahrrad packen würde, Karten wälzen und mich auf eine fünfwöchige Fahrradtour nach Süden, vielleicht nach Santiago de Compostella einstimmen würde. In der Tat zwitschern draußen die Vögel, dass es nur so eine Lust ist und der Frühling frohlockt mit oppulenten Düften, mit milden Lüften. Reines Entzücken zu beobachten, wie die Fossitien blühen, zunächst auf der Südseite des einsamen Gehöfts, nun auch auf der kühlen Nordseite.

„Das Pilgern, mein Lieber“, höhnte Kollege T.,  letzte Woche, „kannste erstmal vergessen.“ Um unser aller Hintern zu retten (denn irgendwie hängen wir doch, T. hin, Kollege Sch. her und Owner uns ich und noch einige Leute in der Tackerwerkstatt am selben Seil), um also die Firma voran zu bringen und in eine höhere Liga aufzusteigen, schuften alle wie bekloppt. Erstaunlicher Weise ist die Laune extrem gut (wenn im Amt ohne Wiederkehr ein solcher Ausnahmezustand eingetreten wäre, hätten sich binnen eines Tages fast alle Mitarbeiter krank gemeldet).

Wie auch immer. Freitags steige ich hinab in die dunkle, kühle Werkstatt und was seh ich schon am Eingang: ein Pappschild, auf das jemand einen gelben Pfeil gemalt hat. Genau wie auf dem Camino. Der gelbe Pfeil, weiß man in Nordspanien, weist dem bußfertigen Mann (und natürlich auch der Frau) den steinigen Weg nach Santiago. Ich folge also dem Pfeil in der Werkstatt vorbei am Pallettenstapel, der Loungemöbelrekonstruktionsabteilung; sogar unter dem Hochregal hindurch weißt ein Pappschild im Zick-Zack-Kurs durch das Möbellager, so dass ich ganz kribbelig werde – so muss sich ein Pilger fühlen, der 700 km von den Pyrenäen bis nach Compostella gewandert ist. Irgendwann treffe ich an meinem Arbeitsplatz ein, daneben die hart schuftenden Kollegen, breit grinsend: „Willkommen, Pilger der Herzen“, rufen sie im Chor. Auf dem Tisch unter dem Tacker das finale Pappschild, auf dem unverkennbar in Kollege T.s Handschrift gekritzelt steht „Santiago (und ein Herzchen).“

Ich hoffe, man erteilt mir Absolution – Verzeihung Tacksolution.

Vom Gedankenlesen, Möbelbauen und Zeit

„Die Sache mit dem Fass voll LSD“, ermuntert mich Kollege T., „muss unbedingt ins Blog.“

„Neee, kann ich nich machen, dann muss ich dem Owner wieder Rede und Antwort stehen, das wird viel zu kompliziert.“

Tackernd schweigen wir eine Weile, dann grinse ich und falle in nicht mehr zu haltendes Lachen.

„LSD im Fass! [pruuust] Ich fass es nicht!“ Die Kollegen T. und Sch. stimmen ein ins Lachkonzert.

Dienstags nach Ostern – es kommt mir vor wie eine Ewigkeit – dämmert mir, dass etwas nicht stimmt. Dass es nicht gut war, an Ostern nicht zu arbeiten.Nun schuften wir wie verrückt in der Tackerwerkstatt und stündlich kommen neue Meldungen vom Owner, die die Anzahl der in dieser Woche zu bauenden Möbel in empfindliche Höhen treibt. Dienstagsabendes notierte ich mir sämtliche Werte, sage „Adieu Wochenende“ und multipliziere die Anzahl der Möbel mit einem entsprechenden Stundenfaktor: „75 Arbeitstsunden allein bis Donnerstag“, konstatiere ich. Kollege T. staunt, kratzt sich am Kopf: „Ist zu schaffen; Mitarbeiterpotenzierung und Zeitextrahierung“, murmelt er, tacktack, tacktack, tackitacktacktack.

Wie auch immer. Die Woche der Arbeit rollt über uns wie ein Tsunami. Heute Donnerstag, haben wir zu dreineinhalbt die 75 Stundenmarke geknackt. Ich bin erst gegen 20 Uhr zu hause eingetrudelt und eigentlich hocke ich nur noch hier am PC, weil mir die Sache mit dem Fass voll LSD so gut gefällt.

Liebenswerter Owner – auf geradezu masochistische Weise finde ich es spannend, wenn er die neuen Zahlen gewünschter und tunlichst neu zu bauender Möbel übermittelt; eine Eventagentin im Süden der Republik macht ihm die Hölle heiß und ruft ihn dauernd an, den großen Auftrag mit dem 40-Tonner voller Möbel so und so nach ihren Wünschen zu ändern.

Wir Tacker sind nur Bauern im großen Loungemöbelschach. Deshalb dürfen wir Witze machen über alles und jeden, auch über den Owner. Einer unserer Lieblingswitze ist, dass der Owner glaubt, man könne Gedanken lesen. „So steht es in unserem Arbeitsvertrag, man muss Gedanken lesen können, wenn man hier arbeitet“, sag ich. „Ich habe gar keinen Arbeitsvertrag,“ antwortet Kollege Sch. „Wir auch nicht“, sagt Kollege T. „Brauchen wir ja auch nicht“, füge ich hinzu, „unsere Verträge sind doch im Kopf vom Owner, jederzeit lesbar.“

Lachen, schallend. Es geht gegen 18 Uhr. Kollege T. jammert, dass es heute schlecht läuft, wir mit dem Möbelbauen nicht voran kommen.

„Wieso? Der Tag hat doch gerade erst angefangen.“ sag ich.

Lachen schallend. Dafür, dass wir schon bald 10 Stunden hier sind, sind wir ganz schön fröhlich. Kollege T. rechnet vor: „Der Tag hat 36 Stunden und ein Arbeitstag hat 48 Stunden, wir haben Zeit ohne Ende.“

Lachen, schallend.

Aber die Krönung ist sicher T.s Feststellung, der Owner ist als Kind in ein Fass LSD gefallen, weil er glaubt, wir könnten Gedanken lesen und wir hätten Superkräfte.

So ähnlich.

Die Geschichte, Ihr Lieben, hab ich mir jetzt aber wirklich ausem Leib gerissen. Das mit den vielen Stunden ist nämlich gar nicht mal so unwahr.

1337 by sofasophia

Wie wir so durch Bern spazieren, Sofasophia und ich, vor über einem halben Jahr und ich ihr nach und nach sämtliche Macken gestehe, bleibe ich wie angewurzelt vorm Hydrant 1354 stehen, recke die Nase in die Luft wie ein wildes Tier, das Witterung aufnimmt, wie ein Bluthund starre ich in die einbrechende Nacht, „ich hab da dieses Problem mit den Zahlen,“ sag ich,“ ich sammele die Dinger, weißt Du, Hausnummern, Kritzeleien, Paketnummern, alles fortlaufend von Eins bis Unendlich. Mach ich Fotos von und dann große Bildtafeln mit fortlaufender Nummer.“

„Und Du bist schon bei 1354?“

„Nöö, erst bei 227, aber man muss ja an die Zukunft denken. Und ganz besonders gern hätte ich die 1337, die muss hier ganz in der Nähe sein auf nem Hydrant.“

(klar hab ich die Sache mit der 1337 erklärt, warum und wieso das was Besonderes ist (bin aber gerade zu müde, um die Geschichte weiter auszuführen) fündig wird man im Netz Suchbegriff Leet oder 1337)

Wie auch immer. Der Dialog geriet beinahe in Vergessenheit, bis Sofasophia bei mir auftauchte, das untige Bild im Gepäck und die tolle Story, wie sie den Hydranten ausfindig gemacht hat, hat sie doch tatsächlich die zuständige Feuerwehr per Mail gefragt, wo Nr. 1337 sich befindet.

1337-hydrant