Sonntags, spät, nicht geruht

War eigentlich Ruhetag geplant heute. Trotzdem bis eben geschuftet und den Bau voran getrieben. Wo nichts war stehen jetzt Wände, Wo Wände waren sind jetzt Fenster. Verzeiht mir, wenn ich vom Bauen rede, aber ich tue derzeit nichts Anderes. Fürchte fast, die Kunst kommt ein wenig zu kurz. Trotzdem gibts fürs Bliestallabyrinth noch ein dickes Polster von vier Wochen.

Hätte da nicht mein alter Freund Luc angerufen und zum Paddeln auf der Havel eingeladen. Ich hab gesagt, ich fliege nach Berlin und trampe dann rüber bis zur Einsatzstelle, wenn, ja wenn ich es schaffe, die Bliestallabyrinth-Ausstellung bis übernächstes Wochenende fertig zu stellen.

So träume ich nach diesem überaus harten Tag von Lagerfeuern am Rande des Flusses mit Menschen, die ich teilweise seit zehn Jahren nicht gesehen habe..

Künstler ist geduldig

Gestern besuchten mich die Informanten H. und D. (genannt „die Marder“, weil sie tagein tagaus damit beschäftigt sind, günstige Materialquellen aufzutun und die Fundstücke in ihrem riesigen Lager unter zu bringen). Sie fläzten auf der Freilandcouch, beäugten den Garten. Hühner gackerten, ich stieg von der Leiter, wo ich in vier Metern Höhe damit beschäftigt war, die obere Strebe des zweiten Fensters im Beton zu verankern. „Warum nimmst du kein Doppelglas?“ fragten sie. „Ich habe keins.“ erwiderte ich. „Unten in der Mühlstraße steht ein großer Container mit alten Fenstern. Kannst ja mal vorbei schaun, vielleicht schenken sie dir etwas.“

Die Aussicht auf Doppeglas brachte meine Augen zum Glänzen. Ich stellte mir schweres, kantiges Zeug vor, welches genau die Größe hat für die Fensterlöcher, die ich generiere.

Also runter in die Stadt, wo die Arbeiter sich im Tausch gegen das Versprechen, Glas raus, Kiste Bier rein, kooperativ zeigten. Wie ein Wackeldackel beäugte der Vorarbeiter die leicht gekleideten Damen in der Fußgängerzone: „O leck was  do Fotze rumlaafe,“ gestand er in bestem Saarpfälzisch. Der Pakt war geschlossen. Beim Beladen des Anhängers querte der Marder D. Wir hielten ein Schwätzchen, „na hat doch geklappt,“ sagte er stieren Blickes auf ein nahestehendes Cabrio, in dem eine blendend aussehende Mittvierzigerin saß. „Ich darf gar nicht hinschauen,“ sagte er, „die macht mich verrückt.“

Da wunderte ich mich über die Vielfalt der Frühlingsgefühle der Männer dieser Stadt.

Bar jeglichen Testosterons lud ich weiter. Vielleicht war es die nüchterne Erkenntnis, dass eine wartende Frau in einem Cabrio ungefähr so weit weg ist, wie ein Komet im Weltall und die Bekundung, O leck, was für Weiber hier herumlaufen, nur eine Art Männlichkeitsritual ist.

Das Format der Fenster läuft leider aus dem Takt. QQlka hatte versucht, das Glas vom Rahmen zu trennen und eines der Fenster beschädigt. Man kann die Dinger also nicht in die selbst gebauten Designerrahmen einkleben. Ich kann sie fürs Atelier nicht benutzen. Trotzdem 20 Quadratmeter auf den Hänger geknallt, schließlich hat mein Vater eine unverglaste Halle (bei der es nicht so sehr aufs Design ankommt).

Fazit: Glas verzeiht keinen Fehler, Holz auch nicht. Papier ist geduldig. Silikon, sagt man, sei es auch.

Und der Künstler erst recht.

Col-Rückblick

Ein kurzer Blick zurück auf die Col-Aktion hier auf dem Gehöft. Erlaube mir den Mannheimer Morgen zu zitieren, welcher über COL in Mannheim berichtete. So ähnlich war es auch in Mainz und Zweibrücken

Jeder darf zum Kunstwerk ein Stück beitragen

NECKARAU: Der Schweizer Künstler Marc Kuhn lädt zur Malaktion ans Strandbad

„In jedem steckt ein Künstler“. Unter diesem Motto hatten Mannheimer
Bürger jetzt die Gelegenheit, am Rheinufer mit dem Künstler Marc Kuhn
ein gemeinsames Bild anzufertigen. Jeder, egal ob Erwachsener oder
Kind, Künstler oder Laie, war eingeladen, sich mit Pinsel und Farben
an dieser Gemeinschaftsarbeit zu beteiligen.

„Col“ nennt sich diese Kunstrichtung, die der Schweizer 1968 ins Leben
gerufen hat. Als „Kollektive Regiekunst“ lebt sie davon, dass viele
verschiedene Menschen zusammen an einem einzigen Bild arbeiten. So
entsteht ein üppiges Nebeneinander, welches sozusagen einem
Comic-Strip gleicht, in dessen Rechtecke jeder in einem ganz
persönlichen Stil seinen Beitrag leistet. Das Ergebnis gleicht einem
„gemalten Föderalismus“, in dem sich jeder auf das Gemalte des anderen
einlässt und es neben sich existieren lässt. „Demokratische Kunst“
nennt es Marc Kuhn auch, der 1940 im zweisprachigen Biel-Bienne
geboren ist, und schon mit 20 Jahren sein Studium der Rechte abbrach,
um sich ganz seiner Passion – der Malerei – widmen zu können. Im
Rahmen von „Col“ arbeitete er bereits mit Künstlern wie Joseph Beuys,
Jürgen Rinck und Richard Paul Lohse zusammen und leitete bis jetzt
über 500 pädagogisch-therapeutische Seminare in Deutschland, Mexiko,
Spanien, Italien und der Schweiz.

Die Malaktion im Strandbad Neckarau organisierte er zusammen mit dem
Mannheimer Martin Helmling. Der diplomierte Elektrotechniker und
Bezirksbeirat (Stadtteil Lindenhof) der Grünen entdeckte schon in der
Schule sein künstlerisches Talent. Dort hatte er oft Mühe, seine im
Kunstunterricht angefertigten Bilder mit nach Hause zu nehmen, denn
seine Lehrerin fand sie so schön, dass sie sie lieber selber behalten
wollte. Heute fertigt er in seiner Freizeit Holzschnitzereien und
Skulpturen an, die er aber lieber verschenkt, anstatt sie zu
verkaufen. 1972 lernte Helmling schließlich Marc Kuhn in Mannheim
kennen und initiierte mit ihm unter anderem Malaktionen im Tessin und
auf Teneriffa.

Obwohl Kuhn auch schon mit über 4000 Beteiligten, wie in Zürich im
Helmhaus, „Col-Bilder“ hergestellt hat, kamen diesmal, wahrscheinlich
auch aufgrund des schlechten Wetters, nur eine handvoll Interessierte
an seinen Stand im Strandbad. Rita Hagemann aus Edingen erfuhr zum
Beispiel über das Internet von Kuhns Aktion. Sie wollte sich
ursprünglich mit ihren beiden Söhnen Moritz und Philip „das Ganze nur
einmal anschauen“, doch schnell überredete sie der Schweizer
mitzumachen. Besonders habe ihr die frei assoziative Arbeit gefallen,
erzählt die junge Frau, und auch ihre beiden Söhne haben einen Beitrag
zu der Gemeinschaftsarbeit von Kuhn geleistet. In der Schule sei Kunst
ihr Lieblingsfach, doch Moritz, der jüngere der beiden, erzählt, dass
ihm die spätere Benotung der Arbeiten im Kunstunterricht nicht
gefalle. Diese Aussage spiegelt genau den Geist von „Col“ wieder. Es
geht nicht darum, wer von den Beteiligten den besten Beitrag gebracht
hat, sondern um das kollektive Gemeinschaftsgefühl, zusammen etwas
erarbeitet zu haben. sako“Jeder darf zum Kunstwerk ein Stück beitragen

So ein verquerer Künstleralltag eben

Warn harter Tag. Zunächst versucht, etwas über die Digikamera herauszufinden. Olympusforen sind qualvoll. Die Kamera zickt, und ich wollte wissen, ob man sie mit einem Trick reparieren kann. Nichts gefunden und mich beruhigt auf das Polster des 936-Euro mysteriösen neuen Kontos gelegt. Dann die Kamera ein bisschen geschüttelt und sie funktionierte wieder. Ab Mittag war Fensterbauen angesagt. Später zusammen mit meinem Vater und QQlka auf dem 50 Jahre alten Porsche-Traktor ins „Holz“ gefahren, eine schräge Esche gefällt und in ofengerechte Stücke zerkleinert. Eschenholz fühlt sich gut an. Außerdem lässt es sich prima spalten.

Den Winter muss ich übrigens nicht in der Republik verbringen. Marc, der Col-Initiator, hat mich in eines seiner Häuser auf Teneriffa eingeladen. Weiß nicht ob ich es mache. Der Flug kostet via Madrid knapp 100 Euro – wenn man Glück hat. Pauschalreisend ungefähr 200. Ansonsten Lebenshaltungskosten wie hier minus Heizkosten. Seine Nachbarin wollte er mir schmackhaft machen, eine 33jährige Engländerin, „Ja, das wäre doch vielleicht jemand für dich,“ sagte er in charmantem schweizer Tonfall. Ich mag es, wie er die Bilder dieser Welt nach gutdünken ausmalt und sich ungefähr denkt: „Der Irgendlink ist allein, die Engländerin ist allein, wer weiß, vielleicht funkts ja?“

Marc ist via Vesoul (Vogesen) zurück in die Schweiz gefahren.

Nun ist wieder so eine Art Alltag eingekehrt. Zur Bank habe ich es nicht geschafft, um das mysteriöse Konto zu enttarnen.

Gestern Abend fahrlässig gescherzt. Ähnlich wie in Sergio Leones Western „The Good, the Bad and the Ugly“, ließ ich galgenstrickgleich den Langhaarschneider vor Kukulkas Augen baumeln. Das sollte nur ein Witz sein. Groooßer Fehler! Er nahm das Ding, stöpselte es ein und schor sich den Kopf. Konnte ich ja nicht auf mir sitzen lassen, dass er das tut und ich nicht. Nachdem er fertig war fuhr ich einmal mitten über den Kopf und weil so ein inverser Irokesenschnitt ziemlich scheiße aussieht, habe ich den gesamten Schädel freigelegt. Nun also haarlos. Selbst meine Mutter findet, dass es gut aussieht. Das will was heißen. Die Kahlhäuptigkeit hat allerdings auch Nachteile. Alle möglichen Tiere fühlen sich eingeladen, sich darauf nieder zu lassen: Mücken, Katzen, Hunde, Geier.

Zu viele Konten (und Haare)

Nun wieder alleine hier auf dem einsamen Gehöft. Fast jedenfalls. QQlka hat es sich nicht nehmen lassen, nach der gestrigen Mainz-Exkursion noch einmal mit zu kommen. Er wohnt im Zelt, versucht gerade ein Feuerchen einzuschüren.

Wir werden Würste grillen.

Über Mainz gäbe es viel zu berichten. Männer führten Selbstgespräche auf der Straße, das machte mich traurig. Ich sehe es als ein Votum gegen die Einsamkeit. Triste Trinker versuchten mit Höflichkeiten viel zu junge Frauen in Kneipen zum Sex zu überreden.

Sowie eine latente Erinnerung an die Zeit vor zehn Jahren, als ich in der Stadt lebte.

Kurze Szenen der letzten Tage zucken willkürlich, zum Beispiel: QQlka zieht seinen Schuh an, spürt etwas weiches, drückt den Fuß tiefer hinein, merkt, dass er keinen Halt findet in diesem Schuh, zieht ihn wieder aus und entfernt den toten Siebenschläfer, welcher den Zehen den Weg versperrte. Das geschah vorgestern hier auf dem Gehöft. In der Landeshauptstadt kniete gestern der Maler Schalenberg vor einem fünf Quadratmeterbild und bemalte in 50 cm Höhe den unteren Rand. Sein Atelierkollege Jakob fortzelte: „Erwartest du so kleine Gäste, dass du dort unten malst?“ Schalenberg ist perfekt. Wir lachten herzlich.
Ich bin ein bisschen überfüllt. Die Woche war oppulent. Deshalb gehe ich auch nicht ans Telefon. Ich kann mit niemandem reden.

Vorhin das Konto gecheckt, weil ich ein zweites 20 qm großesFenster in den alten Kuhstall einbauen will. Geld gut, grünes Licht! Mehr noch: ich habe plötzlich zwei Konten. Verzweifelt mit meiner Schwester telefoniert: „Du, könnte es sein, dass unser gemeinsames Konto irgendwie in meinen Account gerutscht ist?“ Zettelrascheln, Kontonummer durchgeben, Fehlanzeige. Die Nummer meines neuen Kontos, auf dem sich immerhin fast 1000 Euro befinden stimmt nicht mit dem Gemeinschaftskonto überein. Mit dem Gedanken im Hinterkopf, hast ja noch 1000 Euro auf dem mysteriösen Konto flugs zum Baumarkt gefahren und Unsummen für das zweite Fenster verprasst.

Frag mich, woher das Konto kommt. Habe ich einen geheimen Gönner? Bin ich Opfer der Afrika-Connection und sie legen nur ein Lockkonto an, das sie dann unter meinem Namen gnadenlos überziehen? Oder leide ich unter Schizophrenie und ein zweites Ich geht einer geregelten Arbeit nach?

QQlka bestätigte, dass er gesehen hat, wie ich die letzten fünf Tage malend, fotografierend, schreibend an der Col-Aktion hier auf dem Gehöft Teil genommen habe. Kein Doppelleben. Dann zückte er einen Rasierapparat und behauptete, ich hätte geschworen, mir eine Glatze schneiden zu wollen.

Was wird mit den Haaren.

Was mit den 936 Euro auf dem mysteriösen Konto?