Das Radio sagt

Wirbelsturm über Quirla. Wenn es nicht so katastrophal wäre, könnte man dieses Wortspiel als göttliche Ironie sehen.

Bedenken, eine Vorstufe der Angst

Im Gegensatz zur letzten Woche, wird diese ein Kinderspiel. Klare Aufgaben, bei denen man nicht viel denken muss.

Die Rahmerei geht gut von Statten. Trotzdem gaukelt stets die Angst vor dem falsch gesägten Holz, welches dazu führen würde, dass der Bilderrahmen nicht passt. Nennen wir die Angst besser Bedenken. Bedenken sind allgegenwärtig. Jeder dürfte das kennen. Die Unruhe im Angesicht des Ungewissen. Das kann mitunter solch üble Gedankenkonstrukte hervorbringen wie: wo parke ich mein Auto in einer fremden Stadt? Eine fatale Geistesfalle, welche einen die ganze lange Fahrt bis in die fremde Stadt unruhig Szenen entwickeln lässt, in denen man durch enge, zugeparkte Gassen schaukelt, sich wildfremd im Gewirre von Einbahnstraßen verliert. Wie gesagt, eigentlich befindet man sich noch auf der Autobahn, aber im Kopf ist längst die Horrorzene von der fremden Stadt. (Wenn es sich bei der Stadt um Thessaloniki handelt, ist die Horrorvorstellung durchaus legitim. Auch von Kairo und Mumbay hört man nichts Gutes. Da fährt man aber nicht mit dem Auto hin.)

In der Regel wird man die fremde Stadt in Deutschland per Satelliten-Navigator punktgenau erreichen und direkt vor dem Ziel einen riesigen Parkplatz vorfinden. Warum also stellt man sich während der Fahrt nicht einfach einen gähnend leeren galaktisch großen Parkplatz vor, auf dem die Parkwächter wie Hyänen lauern, um einem beim Rückwärtseinparken zu helfen?

Warum ist man immer so unruhig, wenn man über ebay bei einem Wildfremden ein technisches Gerät kauft? Das Warten aufs Paket treibt unerbittlich die Bedenkenmühle: Ob alles in Ordnung ist, ob sich das richtige Pridukt darin befindet, ob das Paket überhaupt ankommt?

Sobald die Vorgänge hinter dem Realitätshorizont verschwinden, lassen sie Raum für Phantasie. Man kann nun alles mit ihnen tun. Ehegatten verlassen das Haus und geben vor, zur Arbeit zu gehen. Nachdem sich die Haustür geschlossen hat, könnten sie sich auf einem Waldparkplatz mit einer Prostituierten treffen, nicht wahr? Kinder saußen mit dem Fahrrad im Garten und man lauscht, ob es nicht scheppert. Panisch herbeiphantasiertes Weinen.
Warum sind diese alltäglichen Bedenken immer so negativ?
Bilderrahmen sind so ähnlich wie parken in einer fremden Stadt. Man hat ein Ziel vor Augen (und eine konkrete Vorstellung, wie das Ziel aussieht, aber es ist noch nicht erreicht). Man stellt sich vor, was auf dem Weg dahin alles schief gehen könnte. Wenn ich nachher die ersten 54 Bilder auf die Tafeln aufklebe, muss ich sie millimetergenau positionieren. Ich brauche gutes Licht, Brille, ruhige Hand. Noch nie ist eine Bildtafel misslungen. Die Arbeit mit Sprühkleber ist eine riesen Sauerei.

25 500-Euroscheine

Es begab sich, dass ich während meiner journalistischen Recherche am Samstag mehr oder weniger händeschüttelnd durchs Museum schlenderte, mal hie, mal da. Small talkend über das Wetter, die Kunst, die Kultur und dass doch immer viel zu wenig Geld da ist.

Auch die aktuelle Ausstellung des hiesigen Kunstvereins besuchte ich in einem prächtigen Saal mit viel Licht, was mich sehr beeindruckte. Vor dem Saal war ein Tresen, auf dem Kunstkataloge auf Erwerbung warteten, Infomaterial und ein Beitrittsformular für den Kunstverein. Also trat ich bei. Mehr noch, ich erteilte eine Einzugsermächtigung. Wohin nun mit dem Formular? Keine Menschenseele zu sehen. Ein Mann, den ich als den Vorsitzenden identifizierte war verstrickt in Gespräche mit Damen. Dem wollte ich das Blatt geben. Kann es doch nicht einfach so auf den Tisch legen, weil meine Kontonummer drauf steht. Wie ein Geier scharwenzelte ich also um den Vorsitzenden, versuchte ihm zuzulächeln oder im engen Durchgang zum Foyer anzurempeln. „Oh, Pardon,“ würde ich dann sagen. So hab ich mir das ausgemalt, und wir würden ein ernstes Gespräch um Kunst und Verein führen oder das Wetter. Die Damen ließen nicht locker. Wie Hyänen fleischten sie an der Beute. So kam es, dass ich mit besagtem Barfußläufer (zwei Einträge zuvor) ein paar Worte wechselte, am Treppengeländer lehnend. Wir schwadronierten über den milden Herbst als gerechte Entschuldigung für den garstigen August. Ich fotografierte seine Füße auf dem frisch lasierten Holzboden des Museums. Dann regte sich das Rudel Damen und der Vorsitzende stand allein. Er war hocherfreut über die neue Mitgliedschaft. Sehr symphatisch. „Machen sie sich doch schon einmal Gedanken über die Zahl 25,“ sagte er, „das ist das Motto unserer nächsten Ausstellung, an der alle Mitglieder teilnehmen. Wenn sie möchten, auch sie.“

„Man könnte 25 500-Euroscheine aufhängen,“ scherzte ich. Wir lachten.

Später, im Stillen hielt ich mir eine goldene Regel vor Augen: die erste Idee ist oft die beste. Bloß, woher soll ich diese wunderbarste Blüte der ökonomischen Moderne in 25-facher Ausführung herkriegen. Ich weiß noch nicht einmal, welche Farbe das Papier hat.

Schon spät. Habe bis eben an einem Artikel gearbeitet über das Museumsfest heute in der Stadt. Harter Job. Die Redakteurin hat mir zwar ans Herz gelegt: „Tu einfach so locker flockig wie im Blog.“, aber das geht nicht. Die Zeitung ist anders. Sie ist seriös. Das Mundwerk darf nicht lose und spontan sein. Die Schreibe muss verstehbar sein. Man kann nicht einfach nur so aus Laune seine Texte verschlüsseln, um zu spielen. Auch Ironie und Witz müssen im Zaum gehalten werden. Das Scharfe Schwert des Blogs sollte in viel Kleinarbeit gestumpft werden, damit man niemandem auf die Füße tritt. Viele Hände gedrückt am heutigen Tag und mich mit den Menschen im Museum unterhalten. Am schönsten war Barfußläufer F. Das muss man sich mal vorstellen, schlappt mit langem wehendem Haar ins Museum, wo all die ehrbaren Leute gerade damit beschäftigt sind, zu vernissieren und der Kultur zu lobhudeln. Das fand ich gut. Ich liebte ihn, wie er am Treppengeländer lehnte und mir plausibel machte, ich selbst sei auf Spurensuche, weil der Stammsitz der Familie doch nur 100 Meter von dem Ort entfernt ist, an dem wir gerade standen. In der Tat ist das Nachbarhaus des Museums das Geburtshaus meines Vaters.
Eine geschichtsträchtige Stadt ist das. Nach sechs Jahren, die ich hier lebe, fange ich an, mich wohl zu fühlen. Das läuft ziemlich konträr zu den Stimmen im Museum. Wenn man die Gesprächsfetzen analysiert, die man zwischen Tür und Angel belauscht, kommt man zu dem Schluss, die Stadt ist total mies. Selbst an den Hauptstadtflügen kritteln sie herum. Hey, ist doch klasse, denke ich mir dann, die Hauptstadt ist endlich eingemeindet und wir können abends auf eine Weiße mit Schuss unter den Linden fliegen. Ist nicht mehr so anstrengend wie früher nach Saarbrücken und dauert auch kaum länger.

Eichhörnchensklaverei

QQlka wohnt seit dem Atelierefest Mitte September in seinem Zelt unten auf der Südterrasse. Er hat eine echte Matratze in seinem Domizil und fühlt sich pudelwohl. Tagein tagaus sitzt er unter dem Vordach und malt an seinen Traktorkatastrophen. Ich mag es, ihm zuzusehen, wie er Strich um Strich setzt und ganz langsam das Unsichtbare sichtbar macht.

Das Eichhörnchen balanciert im Nussbaum und beobachtet ihn. Ab und zu pflückt es eine Walnuss, schließlich muss man an den langen harten Winter denken, wenn man ein Eichhörnchen ist. Die Nüsse knallen auf den Boden. QQlka verlässt die Staffelei und hebt die Nüsse auf. Schließlich müssen auch wir an den Winter denken. Das Eichhörnchen findet das gar nicht gut und kommentiert den Nussraub mit fiesem Fauchen.