Tusen-zwei Tore für Trelleborg | #kursnord

Geld, Geld, Geld. Etwa 50 Schwedische Kronen aus dem Jahr 2015 gaukeln noch in einem Plastikbeutel im Reisegepäck. Das sind umgerechnet ungefähr fünf Euro. Wir fahren also nicht ganz mittellos in ein Land, in dem man, Berichten zu Folge, immer seltener Bargeld benutzt und stattdessen elektronische Bezahlmittel einsetzt. Für ein Leckeis würde das Geld sicher reichen. Doch so weit sollte es gar nicht kommen. Nachdem wir den Malmö-Camping um die Mittagszeit am gestrigen Sonntag EC-Karten-zahlend verlassen, fahren wir erst einmal in den futuristisch anmutenden Stadtteil Hyllie östlich des Zentrums. Ein auch sonntags recht belebtes Gebiet, da die Shopping-Mall geöffnet ist und unterirdisch die erste Bahnstation ab Kopenhagen liegt und im regelmäßigen Takt Menschen ins Viertel pumpt. Die Parkautomaten sind ‚Alla Dager‘ (also nix mit sonntags gratis parken) mit 20 Kronen je Stunde zu befüllen, problematischer Weise hat man jedoch den Schlitz fürs Münzgeld zugeschweißt und akzeptiert nur noch Kreditkarten. Frau SoSos Karte funktioniert nicht und meine wohl auch nicht (ich habs gar nicht ausprobiert, um uns die Hoffnung, sie könnte funktionieren nicht gänzlich zu rauben). Wir monetarischen Dinosaurier, wir. Verflixt. ‚Falschparkend ‘, twittere ich. Mit dem mulmigen Gefühl des Erwischtwerdenkönnens schleicchen wir um die Gebäude und sind recht schnell wieder raus aus dem Getümmel.

Nächster Stopp Trelleborg, etwa vierzig Kilometer östlich von Malmö. An einem Geldautomaten kann ich endlich Geld ziehen. Immerhin, das bedeutet, dass man auch mit Bargeld noch zahlen kann in Schweden, aber es gibt nur maximal 2000 Kronen. Die Unterdrückung des Cash, weiß man da schon mehr darüber? Ein Schwede, der uns in Malmö den Parkautomaten erklärte sagte jedenfalls, es sei wegen der Steuern, die hierzuland gerne hinterzogen würden und wenn alles elektronisch läuft, wäre es besser zu überwachen. Durch Trelleborg bummelnd verstrickte mich Frau SoSo in ein Gespräch über die Ausschnitte: stell Dir vor, du bummelst durch deine Heimatstadt Zweibrücken und siehst nur ein Gewerbegebiet, und an Hand dessen machst du dir dein Bild der Stadt. Wäre das richtig?

Genau das droht uns auch hier. Wir sind in einem tristen Viertel, in dem viel leer steht und die Schaufenster der Geschäfte allesamt mit Baustahl vergittert sind. Nicht schön. Schön schäbig.

Später im schönen Stadtpark und der anschließenden Fußgängerzone wirds beschaulicher und wir lassen uns in einem Burger-Restaurant nieder für einen Happen. Nebenan das Tusen2 voller Männer, nur eine Frau, allesamt tätowiert. Ausschnittsdenken: in Schweden sind alle tätowiert. Sogar Kinder mit großflächigen Armtattoos habe ich gesehen. Ähm ein Kind.

Plötzlich Schlachtrufe von nebenan. Im Tusen2 gastieren also die Fans des Trelleborg FF. Zwei Kerle stehen dirigierend am Geländer der Außenterrasse und stimmen schlichte Fußballieder an und der Chor fällt schlachtrufend ein. Der Text ist einfach: „Tjelleboah, Tjelleboah, shalalalalaaa“ in verschiedenen Variationen und Melodien. Ein anderes Mal auf die Melodie von ‚Oh Brittania‘ singen sie etwas mehr Text, von dem ich nur das Wort Malmö verstehe. Aha. Malmö gegen Trelleborg also. Brutales Lokalderby. Ich muss an Saarbrücken-Homburg denken und vermute, dass in dem Oh-Brittania-Lied der Text lautet: Eure Eltern sind Geschwister.

Wir mampfen schnell, um dem Getümmel zu entrinnen. Eine Stadt im Fußballschlachtmodus ist nichts für unschuldige Touristen.

Raus auf die Straße Nummer neun, die an der Ostseeküste den südlichsten Punkt Schwedens (etwa mittig zwischen Tjelleboah shalalalalaaa und evil Ystad) flankiert. Ein sonntagsproppenvoller Parkplatz mit Restaurants und allem, was eine Landmarke dem kapitalistisch geknechteten Individuum zu bieten hat. Schnell weg. Selbst mit deutschen Augen betrachtet ist es dort voll und hektisch und latent aggressiv. Knallenge Straße direkt am Meer. Der mitgeführte Radweg an der Ostseeküste, ein Abschnitt des landesweiten Radnetzes Sverige Leden, lässt mein Herz höher schlagen. Trotzdem froh, dass ich im Auto sitzen darf, während Frau SoSo das Ruder in der Hand hält.

Wir sind auf Ruhe programmiert, lassen uns treiben, stoppen hie und da. Wir haben überhaupt keinen Plan, also auch nicht nach Sehenswertem recherchiert, wo wir unbedingt hin sollten. Das ist einerseits etwas riskant, da man sicher an der ein oder anderen Sehenswürdigkeit vorbeifährt, ohne es zu ahnen, andererseits genau das, was wir brauchen. Völlige Loslösung von Terminen und Zwängen. Umso glücklicher sind wir, als wir zufällig vor einem mehr als tausend Jahre alten Steinkreis stehen, der hoch auf Klippen zwischen Simirshamn und Ystadt zwischen viel Schafherde thront. Eine sogenannte Schifflegung. Das Ding sieht tatsächlich aus wie ein Schiff. Die knapp ein Kilometer lange Wanderung zu unserem touristischen Zufallsfund über schöne Sandwege durch Wiesen ist alleine schon erlebenswert. Ich glaube, Frau SoSo berichtet darüber. Für diejenigen, die mehr wissen und im Netz suchen möchten: es handelt sich um die größte Schiffslegung in Schweden namens ‚Ales Stenar‘ in Kåseberga.

Weiter treiben der Ostseeküste folgend, sich nicht sattsehen könnend, immer wieder stoppend, auf dem Camping Borrbystrand landend und morgens, also just jetzt, im Netz noch schnell den Ausgang des Matches recherchierend: Trelleborg gewinnt 1:0 gegen Malmö.

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