Rheinland-Pfalz-Radroute – ein Fazit | #umsLand

Mehr als tausend Kilometer liegen hinter mir. 6,5 Höhenkilometer, wunderbare Landschaften, faszinierende Kleinodien, besondere Menschen und Orte, die sich an einer Radweg gewordenen Perlenschnur rund um mein Heimatbundesland Rheinland-Pfalz aufreihen. Mit Fug‘ und Recht kann ich sagen, es ist eine der schönsten Fahrradtouren, die ich jemals gemacht habe. Insgesamt etwa 900 Kilometer strampelte ich innerhalb von zwölf Tagen, von Zweibrücken durch Hunstrück, Eifel, Westerwald und Rheinhessen bis nach Ludwigshafen, wo ich letzte Woche die Runde unterbrechen musste. Das Stück Rheinland-Pfalz-Radroute von Ludwigshafen über Wörth und entlang der französischen Grenze zurück nach Zweibrücken ist mir noch von meiner Flussnoten-Reise im letzten Herbst in guter Erinnerung.

Wenn man sich die Umrisse des vor 70 Jahren „zusammengeschusterten“ Bundeslandes Rheinland-Pfalz anschaut, erkennt man mit viel Phantasie eine Art punktgespiegeltes Yin-Yang-Zeichen. Das fernöstliche Symbol für Einheit und Verschmelzung. Der Nordzipfel im rechtsrheinischen Westerwald überlagert sich im Kerngehäuse des verwaltungstechnischen Konglomerats hin zum rundlichen Südzipfel im Bienwald nahe der französischen Grenze.

Ich gebe zu, das ist weit hergeholt. Aber wenn man die Runde „Ums Land“ auf der nahezu perfekt ausgeschilderten und gut navigierbaren Rheinland-Pfalz-Radroute erschwitzt, kommt man mitunter auf seltsame Gedanken. Es entwickelt sich nicht nur ein Gespür für die Vielfalt des Ländchens, sondern auch eine nüchterne Art Heimatliebe für ein eigentlich künstliches Land, das einst aus der Retorte nachkrieglicher Verwaltungs- und Politwirren gezeugt wurde.

Rundreise im Duett mit einem Fernsehteam

Grenzen und Heimat sind auch das Thema einer halbstündigen Produktion des Südwestrundfunks, in der meine Reise ums Land zum Thema wurde. Mit dem Fernsehteam von Henriette von Hellborn habe ich mich in den letzten Wochen an verschiedenen Orten in Rheinland-Pfalz getroffen. Dabei wurde der „Radler, der die Grenzen des Bundeslandes auslotete“ immer wieder zum Schwitzen gebracht; wir plauderten über das kleinste Museum „wArtehalle“ an der belgischen Grenze, trafen uns zu einem Abstecher im wiedervereinigten Dorf Herchweiler an der saarländischen Grenze, schauten über den Rhein zu den ehemaligen Mainzer Stadtteilen Kastel, Kostheim und Amöneburg, die heuer zu Hessen gehören. In der Hemshofschachtel in Ludwigshafen, die kürzlich Kulisse für den eigenwilligen Pfalz-Tatort „Babbeldasch“ war, plauderten wir mit Marie-Louise Mott, die das Mundart-Theater seit 30 Jahren führt.

Einig-Land 70 Jahre Rheinland-Pfalz wird am 23. April um 18:45 Uhr auf dem Sendeplatz „bekannt im Land“ im SWR Rheinland-Pfalz ausgestrahlt.
Es ist der erste Teil einer siebenteiligen Serie. Nachfolgend die Pressemitteilung zum Film.

Orte und Regionen, die man gerne sein „zu Hause“ nennt: Davon gibt es in Rheinland-Pfalz reichlich: Altehrwürdige Städte, gemütliche Dörfer, lauschige Wälder, märchenhafte Landschaften mit Kulturerbe-Status. Doch gibt es auch ein gemeinsames Gefühl der Menschen hier für ihr Bundesland? Ein rheinland-pfälzisches Heimatgefühl? Im ersten Teil der Jubiläumsstaffel reisen wir einmal rund um Rheinland-Pfalz, entlang der sieben Grenzen, die uns von europäischen und innerdeutschen Nachbarn trennen.
„Rheinland-Pfalz weckt keine Heimatgefühle“, lautet die naheliegende Antwort. Bundesländer sind politische Konstrukte und nichts, womit sich Menschen identifizieren. Im „Bindestrich-Land“ Rheinland-Pfalz tun sie das erwiesenermaßen weniger noch als anderswo in Deutschland.

Doch ein zugleich präziser wie augenzwinkernder Blick in alle Winkel des Landes ergibt ein anderes Bild: Die Menschen im heutigen Rheinland-Pfalz haben früh gelernt, sich mit Grenzen eher zu arrangieren als zu identifizieren. Sich einzurichten in den wechselnden Landkarten der europäischen Geschichte. Und vielleicht sind sie daher besonders gut darin, ein gesundes Heimatgefühl zu entwickeln: Das nicht von Abgrenzung lebt, sondern mehr von Einigung und Durchlässigkeit. So ein Selbstverständnis war es jedenfalls, das Zuckmayer beschwor, als er in den Gründungsjahren der Bundesrepublik von der „Völkermühle der Nationen“ schrieb. Und die Tatsache, dass nirgends sonst in Deutschland die Akzeptanz des föderativen Systems so groß ist wie hier in Rheinland-Pfalz, gibt ihm wohl Recht.

Unter dem Titel „Einig Land“ will Autorin Henriette von Hellborn auf ihrer Grenz-Tour herausfinden, wie die vielen regionalen Identitäten auf das Konto eines rheinland-pfälzischen Heimatgefühls einzahlen. An jedem Ort fragt sie: Was trennt die Grenze? Was teilen die Menschen beiderseits der Grenze miteinander? Quer durch geteilte und wiedervereinigte Dörfer, Flüsse und Wälder erforscht das Team, wohin es die Grenzbewohner zieht: Fühlen sie sich mehr der Nachbarregion zugehörig? Oder folgen sie der Gravitation eines rheinland-pfälzischen Zentrums? Reichen 70 Jahre gemeinsame Geschichte für ein Gefühl von Zusammenhalt? Die Pfälzer, Hunsrücker, Eifeler, Westerwälder und Rheinhessen, die wir treffen, reisen mit uns in die Vergangenheit und in die Zukunft.

Im Raster angeordnete Fotos von Straßen, stets Richtung Horizont fluchtend von der Straßenmitte aus gesehen.
Seit 1994 fotografiert Jürgen Rinck „das graue Band, das niemals endet“, die bereiste Straße in Abständen von 10 Kilometern. Die Serie in dieser Collage folgt der Radroute rund um Rheinland-Pfalz

Leider ist es mir nicht gelungen, die Blog-Livereise bis zum Ende öffentlich zu führen. Persönliche Gründe sind dafür verantwortlich, die ich an anderer Stelle erzählen werde. Spätestens ab Sankt Goarshausen und Kaub, wo ich letzte Woche den Rhein erreichte, geriet die Radreise zu einem blücheresken Husarenritt durch die Metropole Mainz bis nach Ludwigshafen. Viel zu viel Weg in zu kurzer Zeit, zudem mehrere Termine mit dem Filmteam, kurzum, bei solch‘ einem Wettlauf gegen die fliehenden Stunden des Lebens fehlt einem einfach die Konzentration, das Erlebte – es war bunt, es war üppig, es war reich, es ist wert, darüber zu berichten – auch noch in Worte zu gießen.

Was bleibt ist ein Skizzenbuch gelebter Gegenwart bis hin zur letzten Grenze.


Links

Ums Land – Liveblog-Buch auf der Rheinland-Pfalz Radroute finden Sie zusammengefasst auf diesem Blog in der Kategorie umsland-rlp

Zwei andere Blogbücher möchte ich Ihnen ans Herz legen:

Flussnoten (2016)- ein live geschriebenes Blogbuch wandernd und radelnd rheinabwärts. Koproduktion mit der Schweizer Autorin Sofasophia.

Gibrantiago – von Zweibrücken nach Gibraltar per Fahrrad. Live geschriebenes Blogbuch. Frühling 2016.

Rheinland-Pfalz trägt, wie ich finde, zu recht den Titel „Radwanderland


Dank

Ich bedanke mich bei allen Lesenden, Verlinkenden, Freundinnen und Freunden, die die Reise materiell, virtuell, emotional liebevoll unterstützen:

Jo & Dani, Denise, Uta, Kai, Steffi, Stefan, Herrn Krebs und seiner Frau, Ernst, Henriette, Rudi – ich vergesse ganz bestimmt Einige, ich muss besser Freundesbuchhalten – Paul, Anette, Bohlee, Ele, Joseph, Ute, Hannelore und ganz besonders bei meinem Vater, der mir vor 48 Jahren das Radfahren beigebracht hat.

Ihm ist dieses Buch gewidmet.

2 Antworten auf „Rheinland-Pfalz-Radroute – ein Fazit | #umsLand“

  1. Lieber Jürgen, hab grad das „Sofagespräch“ mit dir im Fernsehen gesehen. Sehr sympathisch! :-)
    Ich wünsch dir weiterhin viel Spaß und Erfolg bei deinen Projekten!
    Lieber Gruß

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