Friedlich grasende Gedankenkühe zwischen Hühnerstall und Katzenfutternapf

Aufgewacht mit dieser Idee vom Nichts durchstromere ich den Morgen, gieße die Pflanzen, füttere Katzen und Hühner, hebe die Eier aus. Drei Stück. Mehr werden es auch nicht.

Für einen Moment spiele ich mit dem Gedanken von der schönen Welt, in der alles und jedes glücklich ist und alle miteinander in Frieden leben.

Die Hühner sind längst obsolet, wenn man es von wirtschaftlicher Seite betrachtet. Vierzehn futterfressende Wesen, die täglich zwischen zwei und sechs Eiern legen. Wenn sie normales Nutzvieh wären, wären sie längst im Suppentopf gelandet. Durch neue, junge, legepotente Hennen hätte man sie ersetzt.

Hier auf dem einsamen Gehöft kriegen sie ihr Gnadenbrot. Hier darf, was sonst nicht darf.

Hätte der Kater nicht eine Maus unter dem Holzstapel hervorgezogen und sie gut eine halbe Stunde lang immer wieder in die Luft geschleudert, sie hin und her gescheucht, sie nur zum Schein entkommen lassen, um sie kurz vor dem rettenden Loch wieder zu krallen, hätte ich mir gut vorstellen können, dass die Welt hier auf dem einsamen Gehöft eine eitel sonnenscheinende Blümchenwelt ist, kurz gesagt, in Ordnung.

Aus purem Spieltrieb hat er das getan, der Kater. Wenn er ein Mensch wäre und die Maus ein anderer Mensch, sähe die Sache schlimmer aus: dann wäre das aus Boshaftigkeit, Hass, Ignoranz, Neid, Angst oder Gedankenlosigkeit geschehen.

Vielleicht macht das uns Menschen aus, dass wir Hass, Neid, Wut, Boshaftigkeit, Engstirnigkeit „können“. Im Gegensatz zu Tieren, die Trieben gehorchen und kaum reflektieren und allenfalls zum sorglosen Spiel auf Kosten anderer (Tiere) fähig sind?

Kräfte schaukeln sich gegenseitig hoch. Das ist eine Funktion, die einem als denkendes Wesen leider nur sehr schwer klar wird.

Betrachten wir nur mal einen ganz normalen Konflikt in den sozialen Medien, der hin und her kommentiert wird, und der sich schon vom ersten Kommentar an, wenn  nicht sogar schon im kommentarauslösenden Artikel selbst von der eigentlichen Sachebene löst und ins Emotionale abdriftet. In dem sich Kleingeistigkeit und Ignoranz mit verletzten Seelen zusammentun und einen Rattenschwanz von Kommentaren für und wieder eine Sache produzieren … aber das führt doch zu nichts, denke ich bei solchen Kommentarstrangeskalationen.

Ich war nie ein Freund von Diskussionen. Das hatte ich lange Zeit als negative Eigenschaft gesehen. Einer, der nicht den Mund aufmacht, wenn es um eine Sache ging, wenn es darum ging, Partei zu ergreifen, sich auf eine Seite zu stellen. In der Tat war ich oft die armselige Gestalt, die zwischen den Schützengräben im Schlamm lebte, umschwirrt von verbalen Schrapnells.

Weil ich das Nichts begriffen hatte, ohne es zu bemerken. Weil ich in der Lage war, die Konfliktseiten miteinander aufzuaddieren und damit, rein theoretisch, den Konflikt aufzulösen. Ihn dahin zu schicken, woher er kam. Das Negative am Konflikt ist, dass jede Seite ihn gewinnen will. Das heißt, wenn eine Seite Kraft aufwendet, hält die andere dagegen. Beim Fußballspiel genauso wie im Krieg. Dass man aber durch den Einsatz von Kraft Konflikte auflösen kann, ist Illusion.

Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass am Anfang Nichts war, dass Gott sich selbst erschaffen hat und dass am Rankzaun des Nichtglaubens Glaube wächst, dass zwei winzigste Teilchen einst gegeneinander wirkten und dadurch weitere winzigste Teilchen zeugten, die Fronten bildeten und zu Atomen, Molekülen, Sonnensystemen,Menschen wuchsen und weiterwuchsen zu Dingen, die von Menschen geschaffen wurden und dass das alles niemals ein Ende nehmen wird, solange die Kräfte wirken.

Es ist ja nicht damit getan, eine Kraft umzuwandeln. Dann zeigt sie nur in die andere Richtung. Man muss die Kraft auflösen, indem man sie mit einer genau gleichen Gegenkraft neutralisiert.

Mein Weg vom Hühnerstall zur Katzenfutterstelle in den Garten produziert hin und wieder solche Gedanken. Ich wünschte, ich könnte sie mit einem Fingerschnippen neutralisieren, damit sie nicht als merkwürdige Kräfte in Euren Köpfen weiterwirken. Aber andererseits ist es vielleicht auch das Ansinnen des was-auch-Immers, woher wir alle kommen und was uns hat entstehen lassen, dass wir wirken, bewegen, gegenhalten, Katzen beobachten – rein im übertragenen Sinn – und die wenigen Eier aus dem Hühnerstall holen? Wer weiß, wo das mal endet?

Digitale Expeditionen

Zwei Bilder einer Straße mit Kirche und Dorfeingang in Burgund. Ähnlicher Standort im zeitlichen Abstand von 10 Jahren.

Die Vorreisezeit bei solch digitalen Expeditionen, wie muss man sich die vorstellen?

Wir befinden uns in Woche Minus 3. Der Countdown oben links im Blog sagt, es sind noch 18 Tage bis zum Tourstart. Dann werde ich mit voll bepacktem Radel, Zelt und Campingküche aufbrechen zu einer Reise, die ich vor genau zwanzig Jahren schon einmal gemacht habe. Von Mainz bis nach Alta in Norwegen und weiter bis zum Nordkap.

Dieses Mal breche ich in Zweibrücken auf, radele durchs Saarland  die Blies hinauf, die Nahe runter anderthalb Tage bis nach Mainz. Ab dort folge ich der alten Strecke, die ich in dieser Google-Map skizziert habe. Ich versuche, die alten Bildstandorte zu finden und zu fotografieren wie 1995. Nur eben digital mit dem Smartphone.

Ein ähnliches Experiment habe ich übrigens schon einmal gemacht. In den Jahren 2000 und 2010 habe ich Frankreich durchradelt und zwischen Zweibrücken und Andorra die gleichen Bildstandorte aufgesucht. Das sieht dann zum Beispiel so aus:

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Zweibrücken-Andorra 2010 war die erste Passage in diesem Blog, die mit dem iPhone von unterwegs gemanaged wurde. Ein echtes Abenteuer mit damals sehr spartanischer WordPress App. Per Mail und SMS sendete ich die Bloginhalte an die Homebase, in der die liebe SoSo am Projekt mithalf. Ich erinnere mich an diese denkwürdige halbe Stunde auf der Allierbrücke in Le Nouveau Monde, in der ich ein Bildchen mailte. Dieses Glück, als es endlich klappte.

Links zu den beiden Reisen innerhalb dieses Blogs

Die Etappen 2000 bei Everytrail (Rekonstruktion auf Basis der handschriftlichen Notizen)

  • Tag 1 -> Zweibrücken bis Lutzelbourg
  • Tag 2 -> Lutzelbourg bis Bayon (Mosel)
  • Tag 3 -> Bayon bis Montigny (Wildzeltplatz)
  • Tag 4 -> Montigny bis Dijon
  • Tag 5 -> Dijon bis Autun
  • Tag 6 -> Autun bis Motte aux Chennes bei Marcigny
  • Tag 7 -> Motte aux Chennes bis Villerest
  • Tag 8 -> Villerest bis Feurs (ein absolut verregneter Tag)
  • Tag 9 -> Feurs bis Prats de Mars bei Vorey
  • Tag 10 -> Vorey bis Chapeauroux
  • Tag 11 -> Chapeauroux bis Le Pont de Montvert
  • Tag 12 -> Le Pont de Montvert bis in die Tarn-Schlucht
  • Tag 13 -> Tarn-Schlucht via Millau … (Wildzeltplatz)
  • Tag 14 -> Tarn bis Roquecourbe
  • Tag 15 und 16 ->Roquecourbe Canal du Midi bis Ax les Thermes
  • Tag 17 -> Ax les Thermes bis Seo ‘d Urgell

Feilen am Publishing System

Ich hatte schon erwähnt, dass ich die kommende Reise gerne zweigleisig publizieren möchte. Zum Einen wie gewohnt per Blog in einer Art Tagesrhythmus, also wie tägliche kleine Zeitungsberichte. Zum Anderen auf Twitter in 140 Zeichen lange Aphorismen zerlegt mehrmals täglich. Ich weiß nicht, ob das zeitlich machbar ist, schließlich hat man es als radelnder Reisender auch mit ganz anderen Rhythmen zu tun, als mit Schreib- und Denkrhythmen. Das Leben auf der Straße, kunstschaffend, ist wie ein inneres Konzert. Eine Art literarisches, schöpferisches Kammerorchester … wer dirigiert?

Auch der physische Rhythmus ist wichtig unterwegs. Man wird müde, hungrig, muss sich was kochen, Lagerplatz suchen, der Gedankenrhythmus, so er sich denn einstellt, ist stetigen Störungen unterworfen. Aber diese anderen, scheinbar störenden Rhythmen befeuern ihn auch. Der Input aus der Umgebung. Begegnungen mit Menschen. Situationen. Die Umwelt. Gefühle. Das Wetter. Gegenwind. Allesamt Unkalkulierbarkeiten, die als – ich will nicht sagen Stör – Geräusche mitspielen im Orchester der Livereise.

Twitter nun. Wie muss ich mir das vorstellen als Laie? Es ist ein sogenanntes Microbloggingsystem. Die Blogeinträge sind maximal 140 Zeichen lang.

Klingt kompliziert, gell? War es auch anfangs. Ich habe fast drei Jahre gebraucht, bis ich letzten September endlich mit meinem Twitteraccount warm geworden bin. Ich hatte einfach nicht kapiert, wie einfach es ist. Im Grunde ist es eine Art kollektive Gedankenablademaschine, ein Kommunikationsmedium und zudem kann es eine Schreibstilschule sein. Wer nur 140 Zeichen hat, um einen philosophischen Gedanken, eine Herzensangelegenheit oder einen Scherz zum Ausdruck zu bringen, lernt schnell, welche Worte wirklich wichtig sind (wenn dieser Satz ein Tweet wäre, sähe er anders aus).

Ich schweife ab. Eigentlich wollte ich nur testen, wie ich Tweets aus dem Twitteraccount auf dem Smartphone in einen Blogeintrag einfügen kann. Also mit Kasten außenrum, Zeitstempel usw. Scheint per Mailexportfunktion und Copy und Paste zu gehen. Über das innere Kammerkonzert der feinen Künste schreibe ich dann in einem späteren Beitrag.

Irgendlink (@irgendlink)
Ein Dienstag im Montagskostüm. Das erste Ungeschick schon hinter mir. Ich bin gewarnt. Bloß keine Kettensäge heute.

Bloggen, digitale Bildhauerei

Im Vorfeld der Radreise ans Nordkap das Blog neu zu strukturieren kommt mir vor wie Bildhauerei. Pixelmeißeln. HTML-Schnitzen. Auf Lebenswertvoll.ch hat die liebste SoSo ein Crowdfunding angelegt, das ich heute mit ein paar Inhalten ausgestattet habe. Es muss noch ein bisschen daran gefeilt werden. Wie auch hier am Irgendlink-Blog.

Ich möchte bei der kommenden Livereise auch eine Kurzübersicht in Form einer Kategorie anbieten, die es ermöglicht, wöchentlich in aller Knappheit das Voranschreiten der Reise zu beobachten (danke, Angelika für den Hinweis). Wer das volle Programm will, schaut entweder täglich hier vorbei, oder wählt die Rubrik #AnsKap. ist auch der offizielle Hashtag bei Twitter und Facebook für mein Reiseprojekt.

Für die Wochenberichte werde ich eine Rubrik AnsKapWeekly einrichten. Und wer so verrückt ist, dem Artist in Motion permanent auf den Fersen zu bleiben, schaut bei Twitter vorbei.

Zur Finanzierung insbesondere des Rückwegs bin ich wohl auf ein bisschen Unterstützung angewiesen. Die Reisekasse verzeichnet 1500 Euro für drei Monate unterwegs. Könnte klappen, rechnet das Kunstbübchen in mir. Der Rückweg ist unfinanziert (vielleicht hilft ja der Ruf: ich bin ein Künstler, holt mich hier raus :-) ).

Zum Glück ist mir die Sache mit den iDogma-Postkarten, siehe Artikel zuvor, wieder in den Sinn gekommen. Das wird ein kleines Kunstprojekt im Kunstreiseprojekt. Ich verschicke ab Smartphone mit einer App selbst gestaltete Künstlerkarten – weltweit. Jeder, der eine bestellt, ist Teil des Gesamtkunstwerks. Eine Art Brotkrümelspur aus Botschaften entsteht so. in meiner Phantasie spiele ich mit dem Gedanken, dass in einer Zukunft irgendwann ein Kuratorium für eine Ausstellung über diese, unsere Digitale Frühgeschichte, die Besitzerinnen und Besitzer dieser Postkarten, also Euch oder Eure Erben anschreibt, um alle Karten in einer Gesamtschau zu zeigen. Na, wäre das was?

Eine kniffelige Meißelei am heutigen Tag war zweifellos die Schnitzarbeit an dem Paypal-Knopf auf der rechten Seite, mit dem Ihr die Karten bestellen könnt. Ich hoffe, ihr kommt damit zurecht. Lasst es mich wissen falls nicht. Dann finden wir einen anderen Weg, wie Ihr an die Postkarten kommt.

Nun steht noch die here Trainingsaufgabe an. Sowohl Schreiben, als auch Radfahren möchte ich trainieren. Ehrlichgesagt raucht mir der Kopf von all den Zu-Bedenkens und ich bin heilfroh, wenn ich endlich losradeln kann und meine Kräfte wieder kanalisieren kann.

 

iDogma Postkarten – Eine postalische Brotkrümelspur zum Nordkap

Ein digitales Monument, das sich wie Lava durch die Risse der tektonischen Platten des frühen Internet drückte, feiert heute seinen vierhundertsten Geburtstag in einer Sonderausstellung im Museum für Digitale Frühgeschichte – (Lind Kernig, Kunsthistoriker, 21. Mai 2415)

Nichts hat mein künstlerisches Schaffen so sehr verändert, wie das Smartphone mit seinen kompakten Möglichkeiten. Auf engstem Raum des handtellergroßen Minicomputers kann ich nicht nur schreiben, fotografieren und direkt im Internet veröffentlichen, sondern auch wichtige künstlerische Arbeitsschritte mit Hilfe der mannigfaltigen Apps durchführen. Eigentlich muss man sich als digitaler Künstler nicht die Hände schmutzig machen mit Farbe und Pinsel, man kann alle Arbeitsschritte im Smartphone erledigen und das Kunstwerk in Datenform zu einem Ausbelichtungsdienst schicken, der es direkt an den Kunden schickt. Sogar ein kleines Buch habe ich schon einmal während einer langen Ausstellungsaufsicht, in der kaum Gäste in die Ausstellung kamen auf dem Smartphone gestaltet, es an ein Portal geschickt und ein paar Tage später kam das Büchlein „iDogma One“ per Post. Druckfrisch, gebunden.

2011 hatte ich eine Serie gestartet mit Postkarten die aus dem digitalen Stehgreif geboren waren. Fotos und Texte mit einer App kombiniert und per Mobilfunknetz gesendet kamen als Künstlerpostkarte unikat zu einigen wenigen Freunden und Bekannten. Der Reiz etwas tun zu können löst unweigerlich die Kräfte aus, es auch tatsächlich in die Tat umzusetzen.

Die beiden ersten Postkarten gingen zum Test an mich selbst. Ich wollte mich von der Qualität überzeugen und ob das, was ich da auf dem Telefon zurecht fummelte auch mit dem, was ich mir in „Echt“ vorstellte kongruent ist. Die Karte kam per Royal Mail ein paar Tage später zu mir nach Hause.

iDogma Postkarte 1.1
iDogma Postkarte 1.1
iDogma Postkarte 1.1 Rückseite
iDogma Postkarte 1.1 Rückseite

Leider ist das Projekt ein bisschen eingeschlafen. Ich bin einfach keine Rampensau, die solch ein Projekt bis in alle Welt durchboxt und daraus eine Künstlermasche macht. Dennoch hat die Idee ihren Reiz (zumindest bei mir) nicht verloren.

Zur bevorstehenden Reise ans Nordkap mache ich einen neuen Anlauf.  Aus den täglich frisch aufgenommenen Kunstfotos gestalte ich individuelle Postkarten, garniert mit Tweets, Aphorismen. Per App werden sie an den Postkartendienst Touchnote übermittelt und per echter Post versandt. So entsteht neben der fotografischen Reise mit der konzeptuellen Straßenfotografie auch eine unikate Postkartenserie. Alle Entstehungs- und Versendungsorte werden notiert. Die Empfängerinnen und Empfänger erhalten ein Kunstwerk, das ins Gesamtkonzept eingebunden ist.

Mit dem Kauf einer iDogma Karte unterstützt Ihr zudem das Projekt.

Rechts in der Seitenleiste könnt Ihr eine Karte bestellen. Ab dem 15. Juni versende ich sie von unterwegs.

PS: Bloß schön die Postkarten aufheben, damit das Museum für Digitale Frühgeschichte auch etwas auszustellen hat, heute in vierhundert Jahren :-)

Euer Irgendlink