Von Amtsnomaden und hölzernen Kathedralen

Nachdem der örtliche Landmaschinenhändler bankrott gegangen war, wussten die Bauern nicht mehr, wo sie ihre Landmaschinen reparieren lassen sollten …

Im Halbschlaf kam mir der Gedanke, mit diesem Satz einen Roman zu beginnen. Irgendwas in mir gab mir geradezu einen Befehl, weshalb ich mich unruhig hin und her wälzte mit allen möglichen Traumbildern im Kopf, die stroboskopartig aufblitzten. Mal fand ich über tausend Ecken und Vorstadtstraßen den Weg in eine hamburgähnliche Stadt, wo wir zu einer Veranstaltung bei einer spirituellen Gruppe in eine hölzerne Kathedrale eintraten und an einer Podiumsdiskussion teilnahmen. Mal wollte das Auto nicht anspringen oder hatte eine Beule und es gab Streit, wer fahren sollte. Mal stieg ich an einer Bushaltestelle als einziger Gast aus und befand mich an einem völlig weißen Ort, an dem es gar nichts gab, niemand mit mir redete und wenn, dann waren es „Stimmen“, aber es gab weder Menschen noch Ereignisse an dieser Bushaltestelle. Eine der Stimmen sagte, ich solle endlich aufschreiben, was passiert an diesem Ort, aber es gab doch nur das Weiß. Wann der nächste Bus kommt, damit ich nach Hause kann? Ich könnte ja das von der Stimme in Auftrag gegebene Buch beginnen mit Nachdem der örtliche Landmaschinenhändler bankrott gegangen war, wussten die Bauern nicht mehr, wo sie ihre Landmaschinen reparieren lassen sollten …, dachte ich. Da stand plötzlich ein Automat vor mir, ein Terminal mit Touchscreen, Internetverbindung, Facebook offen und ich klickte wie wild Gefälltmir. Die müssen doch dann antworten, denen mir ihr Zeug gefällt und dann passiert auch etwas. Wo Antworten sind, herrscht Action, da fliegen die Fetzen, da schieben sich die Kontinentalplatten der Soziodiversität gnadenlos übereinander. Wo Fragen sind, herrscht nur Beklemmung. Wie früher in der Schule, wenn niemand etwas wusste und der Lehrer schwieg.

Die Landmaschinen würden sich nach und nach auf dem Hof beim Händler sammeln. Kaputte Keilriemen hätte man ja noch mit Damenstrümpfen repariert, ganz ohne Fachkraft, aber Zylinderkopdichtungen oder elektronisches? Niemals. Die Bauern würden wieder mit Hacke und Pferd auf ihren Äckern schuften und die Versorgung litte und alles ging den Bach runter – das Piepsen des Weckers holte mich schließlich in die Echtwelt.

So stehe ich vorhin auf, noch immer ein bisschen erkältet, Katzen und Hühner füttern, schlichter Künstlerselbstversorgeralltag, an dem eigentlich nichts besonderes passiert, Kaffee kochen, Computer hochfahren und weil die Traumbilder noch so bizarr vor mir liegen, schreibe ich das alles auf. Neben dem PC liegt ein Zettel, auf den ich das Wort Amtsnomaden gekritzelt habe. Die Karawane der Aktenschränke. Seichter Nebel vertärkt jedes Geräusch.

Rund um die USA mit Dirk Rohrbach

Lohnt es sich überhaupt, ein Liveblog Projekt USA zu initiieren? Andere – größer, schneller, weiter – haben es längst getan. Es gibt nichts, was es nicht gibt. Es gibt nichts, was nicht schon einmal da war auf der Welt. Pit aus den USA mailte vorhin diesen spannenden Link: Dirk Rohrbach Livereportagen. Einmal um die USA mit dem Radel.
Nachtrag: Aber natüüürlich lohnt es sich. Du musst die Welt, die du mit deinen Augen siehst und mit deinen Sinnen erfährst mit deinen Worten erzählen. Danke für die aufmunternden und konstruktiven Kommentare.

Ausstellung Geschichte und Geschichten – Galerie Monika Beck

Bootswrack halbgesunken und vertäut
Bootswrack halbgesunken und vertäut
The Wellbound Wreck – Hipstamatic Foto von Jürgen Rinck 2012

Zwölf limitierte Fotos aus der Serie Ums Meer zeigt Jürgen Rinck ab 6. Dezember 2014 in der Galerie Monika Beck in Homburg/Saar. Die appspressionistischen Kunstwerke sind 2012 während des Liveblogberichts um die Nordsee entstanden. Titel der anderthalbmonatigen Ausstellung ist Geschichte und Geschichten.

Statement:

Eine Liveblog Reise, die zunächst nur in Blogform und in den sozialen Medien in beinahe Echtzeit dargestellt wurde, dient als Fundament für künstlerischen Output in Form von literarischen Texten und geplant, manchmal auch zufällig verfremdeten Fotografien. Neben Collagen und Panoramabildern, die „On The Fly“, also während der dreimonatigen, live erzählten Reisegeschichte auf dem Smartphone entstanden sind, ist eine Reihe weiterer multimedialer Inhalte entstanden. Ein Video Ums Meer wurde im August 2012 auf dem LA Mobile Art Festival uraufgeführt. Mit schelmischem Augenzwinkern kokettiert der Begriff Appspressionismus mit  einer der bedeutendsten Kunstrichtungen des 20. Jahrhunderts, dem Expressionismus

Einladung Geschichte und Geschichten
Einladung Geschichte und Geschichten – zum Vergrößern bitte anklicken.

Vernissage: Samstag, 6. Dezember 2014  um 18 Uhr. (Anmeldung bitte in der Galerie, natürlich kostenlos, oder hier per Kommentar – ich leite es dann weiter). Gemeinschaftsausstellung mit Lysiane Beck, Wolfgang Pietrzok und Thomas Schliesser.

Hashtag: #gugbeck

Adresse der Galerie Monika Beck
Schwedenhof | Am Römermuseum | Am Schwedenhof 4
66424 Homburg/Saar-Schwarzenacker.

Ausstellungsdauer: 7. Dezember 2014 bis 18. Januar 2015

Öffnungszeiten:
Dienstag, Mittwoch und Freitag 15-20 Uhr
schlaDo (Donnerstag) Open End

Und nach Vereinbarung

Infos über die jeweils aktuelle Ausstellung in der Galerie Monika Beck finden Sie hier.

Diesseits und jenseits der Umrisslinien

Sofasophia appt - Zeichnung
Sofasophia appt - Zeichnung
Sofasophia appt – Zeichnung

Flächen. Alles, was auf einem Blatt Papier dargestellt werden kann, besteht aus Flächen. Hab ich bei Paul Klee gelernt. Genauer gesagt im bemerkenswerten Zentrum Paul Klee in Bern, welches eines meiner Lieblingsmuseen ist, wie auch Klee einer meiner Lieblingskünstler ist. Ich weiß nicht, ob ich Klees Intention, reduziert auf den Spruch, alles, was auf Papier dargestellt werden kann, besteht aus Flächen, so minimalisiert wiedergeben sollte. Aber irgendwie passt diese einfache Weisheit ziemlich gut und zwar nicht nur aufs Zeichen, sondern auch auf das Schreiben, das Webdesign, ach, eigentlich sogar auf alles im Leben. Teile das, womit du dich beschäftigst ein in einzelne Flächen. Flächen haben Grenzen. So kannst du das eine vom anderen besser unterscheiden. Das Hobby vom Beruf, das Schreibprojekt vom Kunst- und vom Webprojekt. Dann kannst du dich diesen einzelnen, noch weißen Flächen widmen und sie ausmalen. Wie ich so da hocke vorm PC, in dem ein Projekt gerade skizziert wird, ich eine Pause brauche, zu Stift und Papier greife, galant mit den Füßen den Bürodrehstuhl um 180 Grad drehe, SoSo da sitzen sehe, wie sie auf dem winzigen Smartphonebildschirm ein bisschen vor sich hin tippt, habe ich die Flächensache derart bildlich vor Augen, dass ich ganz unvoreingenommen eine Art Trapez zeichne, was ihr Gesicht darstellt, darüber ein umgedrehtes U als Haare, eine Spindel für die Beine, Quadrate für die Kissen auf dem Sofa usw. Erstmal nur ein paar Flächen, schnell skizziert. Seltsamer Weise stimmen die Proportionen – wahrscheinlich pures Glück, denn ich bin ein sehr ungeübter Zeichner. Nachdem die Formen da sind, widme ich mich ihnen nach und nach, gebe ihnen Struktur und Farbe. Das Gesicht misslingt, weshalb ich es kurzerhand schwarz ausmale. Keine fünf Minuten und die Zeichnung ist „im Kasten“. Hey, das ist toll, lobt mich SoSo (du hast sooo geschickte Hände). Flächen. Ist das das Geheimnis, wie es funktionieren könnte mit den irgendlink’schen Baustellen? Grob skizziert wie in einem Kindermalbuch liegt das Bild des eigenen Lebens vor einem. Kühne, phantastische Projekte, wie etwa das Liveblog USA neben nüchternen Webseitenideen, für die schon der Domainname registriert ist, die aber noch jegliche Struktur vermissen lassen. Mein weitestgehend mit haardünnem Pinsel grau in grau skizziertes Schreibimperium, all die ungeschriebenen, angedachten Geschichten … ist so das Leben des Menschen eine einizige Formenschieberei, ein Ineinanderpuzzlen verschiedener Flächen? Auf  dem gestrigen Heimweg, gut dreihundert Kilometer Autobahnhatz, denke ich über den November, den Nanowrimo nach, reserviert als Monat, in dem man an einem Buch schreiben könnte. Und an mögliche Geschichten. Auch hier tun sich einzelne Flächen auf, die sich miteinander zu einem Gesamtbild arrangieren lassen. Könnte es auf diese abstrakte, paulkleeische Weise funktionieren, die Sache mit dem Schreiben, der Kunst, dem Beruf und dem ganzen Rest? (Auch dieser Artikel ist eines jener Puzzleteilchen – bis vor wenigen Minuten gab es nur die Umrisslinie. Nun ist er ausgemalt mit Buchstaben).