Zinsel und Zinseszinsel

Von Zweibrücken bis ins lothringische Bitche sind es etwa dreißig Kilometer. Mit dem Radel eine sehr schöne Strecke, aber man sollte die Höhenstraße meiden, die über den Zweibrücker Flugplatz nach Frankreich führt. Entweder man quält sich in Schweyen über den Berg nach Breidenbach und radelt dort die alte Hauptstraße, oder man folgt dem Schwalbach nach Hottviller und Sierstal. Entscheidungen wieder. Am Motocrossplatz Schweyen ist mir noch nicht klar, dass ich die Schwalbachroute nehmen werde, mich über Sierstal Lambach an Bitche vorbei mogele, hinauf aufs Plateau Grunholz … lebensrettendes Eclaire (das ist wurstförmiges bappigsüßes Gebäck mit extrem viel Sahne) in einer Boulangerie in Lemberg. Die Bäckerin klärt mich auf, dass in Frankreich, mindestens jedoch in Lothringen, gar kein Feiertag ist an diesem Donnerstag. Man kann tun und kaufen was man will. Am Abzweig nach Mouterhouse, stürze ich mich, einem Impuls gehorchend runter ins Tal, ostwärts durch sattgrünen Wald und ebenso ungeplant folge ich der Zinsel du Nord ab Mouterhouse ostwärts, statt mich direkt nach Süden zu wenden. Sehr weise. „Zinsel und Zinseszinsel“, scherze ich. Das Zinseltal ist ein absoluter Leckerbissen. Die Straße hat ab Bärental Radwegcharakter. Etwa drei Meter breit, kurvenreich, kaum befahren und wer da fährt, fährt langsam. Überhaupt fahren die Menschen in dieser Gegend rücksichtsvoller, als ich es von daheim gewöhnt bin. Tour de France Respekt? Gelassenheit? Seltsame zottelige Urviecher grasen am Bach, Highlandrinder, ich weiß nicht, wie man die kastanienbraunen Zottel mit den halbmeterlangen Hörnern nennt. Bis Zinswiller folge ich dem Bach, erreiche das Elsass – ein meterhoher Grenzstein am Straßenrand. Rüber nach Uhrwiller, Pfaffenhofen. Fast neunzig Kilometer stehen auf dem Tacho, als ich bei Schwindratzheim den Radweg am Rhein-Marne-Kanal erreiche. Neben einer Käranlage übernachte ich auf einer frisch gemähten Wiese, ohne das Zelt aufzubauen. Nicht besonders gut geschlafen, weil kurz vorm Einschlafen ein Palaver auf der anderen Kanalseite war. Nerviges Hupen, Stimmen, meterhohe Menschenschatten gestikulierend hinter der Bäumen. Der Stoff, aus dem der Horror ist. Nun seit halb sechs auf dem Kanalradweg nach Strasbourg. Ich hoffe, die Baustelle, die den Weg letztes Jahr blockierte und einen auf die Umleitungsstrecke über Brumath und die Nationalstraße zwang, ist beendet.
Bilder: Panorama am Ortsrand von Uhrwiller, Nachtlager, Graffiti beim Sportplatz Schwindratzheim, Kanalradweg km Neunzig der Reise.
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6 Antworten auf „Zinsel und Zinseszinsel“

  1. Schöne Fotos von unterwegs …

    Aber die zotteligen kastanienbraunen Urviecher, die vermutlich Schottische Hochlandrinder waren, die hätte ich ja nun zu gern auch gesehen. Aber das Wandgemälde entschädigt. :-)

    Ich wünsch dir eine gute Fahrt.
    Liebe Grüße, Szintilla

  2. schön, dass du durch eine gegend geradelt bist, die mir sehr vertraut ist, Baerenthal, Zinswiller und selbst die zotteligen Urviecher kenne ich gut, bald schon werde ich wieder für eineinhalb Wochen dort sein, wie jedes Jahr …

    ich bin spät hier und doch nicht zu spät, denn noch bist du ja unterwegs …

    good days and ways, lieber Jürgen und immer nur freundliche Begegnungen ;)
    herzliche Grüsse Ulli

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