Diesseits und jenseits des Grüezigrabens

Badewanne hinter Absperrband - Grüezigraben
Sieht so der Grüezigraben aus?

Wenn man als Deutscher eines mit der Schweiz unweigerlich verknüpft, so ist es wohl die Grußform Grüezi oder Grüeziwohl. Viele Deutsche glauben, automatisch perfekt Schwiizerdütsch zu können, weil sie dieses Wort verstehen, bzw., weil ihnen die lustigen, langsamen Satiren des Komikers Emil einst als Schwiizerdütsch vorgegaukelt wurden. Dies ist jedoch kein Aufsatz über die Schweizer Sprache. Vielmehr möchte ich am Beispiel des Grüezi auf die großen Zwiespälte hinweisen, die in der Schweiz herrschen, und die man als Außenstehender so nicht wahrnimmt.

Vermutlich wissen Sie, dass in der Schweiz mehrere Sprachen gesprochen werden? Dass die beiden meist gesprochenen Sprachen Deutsch, respektive Schwitzerdütsch und Französisch sind? Dass die französischen Schweizer von den Deutschweizern Welschschweizer genannt werden? Dass zwischen der dütschsprachigen Schweiz und der französischsprachigen Schweiz der sogenannte Röstigraben verläuft? Eine schnurgerade Linie, die vom Jura bis ins Wallis eine exakte Trennung der beiden Sprachbereiche ist. Befinden Sie sich diesseits des Röstigrabens, werden sie auf Deutsch angeredet, jenseits, heißt es Bonjour.

Weniger bekannt sein dürfte der Grüezigraben. Er verläuft genau auf der Grenze zwischen der Stadt Brugg und dem Dorf Windisch. Die beiden Siedlungen haben einen gemeinsamen Bahnhof. Der Schienenverlauf bildet die Grenze. In der Mitte der Bahnhofsunterführung verläuft der Grüezigraben. SoSo, bekanntermaßen native Schweizerin, hatte mir einst erklärt, dass man sich auf dem Land noch grüßt, in der Stadt jedoch nicht. So kommt es, dass man in Windisch stets freundlich grüßt und gegrüßt wird, während man drüben in Brugg einfach so aneinander vorbei geht. Wenn man sich von Windischer Seite dem Grüezigraben nähert, schlägt einem die Gefühlskälte der Stadt förmlich entgegen. „Was passiert eigentlich, wenn sich zwei Menschen mitten auf der Grenze begegnen?“ fragte ich naseweiß die SoSo, „also einer ist im Dorf und würde naturgemäß grüßen und der andere in der Stadt würde dies nicht tun, ein Schritt weit dazwischen der Grüezigraben? Ist derjenige auf der Dorfseite dann abgeklärt genug, zu ertragen, nicht gegengegrüßt zu werden, wegen des Grüezigraben-Phänomens? Noch schlimmer, was passiert, wenn sie just im Begriff sind den Graben zu überschreiten? Bricht dann derjenige aus dem Dorf mitten im Grüe() ab?“ „Es kommt sehr selten vor,“ klärt mich SoSo auf, „aber wenn es geschieht, ist die Wahrscheinlichkeit nicht gering, dass derjenige, der aus der Stadt kommt just beim Aufsetzen des Fußes auf Dorfboden das fehlende ()zi ausspricht.“

Zugegebener Maßen ein Sonderfall. Schlimmer sind die zunehmenden Grenzübergriffe, von denen allseits berichtet wird. Zusammengerottete Jugendgrußbanden, die über die Stadtgrenze kommen und die Menschen dort grüßen. Und auf der Dorfseite spürt man die Kälte, die sich im Grenzgebiet ausbreitet, wenn – versehentlich oder absichtlich – ein – gedankenversunkener oder böswilliger – Mensch herüberkommt und den Gruß nicht erbringt.

Der Röstigraben bringt übrigens ein ähnliches Phänomen für alljene, que si elles lui parlent, ensemble dépasser.

3 Antworten auf „Diesseits und jenseits des Grüezigrabens“

  1. grosses kichern meinerseits des grüezigrabens. über den grüessech-graben wäre noch zu berichten, der sich irgendwo im niemandsland zwischen dem aargau und dem kanton bern befindet. immerhin gemeinsam sind die ersten paar buchstaben mit dem herrlichen umlaut. du kannst dich schon bald „von und zu“ nennen, denn dein ch (siehe chuchichäschtli) ist schon bald schweizwürdig.
    ich schlage dich bei gelegenheit als ehrenschweizer vor, okay?
    :-)

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