The Dutch Orange Hair Rape

So kurz vor dem Vorstellungsgespräch will sie sich noch die Haare färben lassen. Von mir! Alle meine Warnungen, was, wenn was schief geht, was, wenn es zu lange dauert, schlägt sie in den Wind und rührt die nach Ammoniak stinkende Brühe an, drückt mir Latex-Handschuhe in die Hand und sagt, mach!
Das ist Orange, sage ich, willst du orangene Haare?
Das wird schon schwarz, guck, auf der Packung steht schwarz.
Was, wenn nicht? Willst Du dem potentiellen Arbeitgeber dann erklären, ein bedrohlich wirkender Mann mit niederländischem Akzent habe dich überfallen und mit Nachdruck gesagt huie daag, ich mach dir jetzt orangene Haare, korrekt fiets.
Ich starte den Färbevorgang und wir spinnen gemeinsam an einem Selbsthilfeportal für Menschen, die von Holländern überfallen werden und denen die Haare zwangsorange gefärbt werden. Aufstieg und Fall eines Webportals.
Zwischendurch ein Exkurs in die mutmaßlichen Lerninhalte der Frisörsausbildung: Da haben wir aber einen gaanz schönen Wirbel, Frau Sophia, näsele ich. Das ist zweites Lehrjahr. Da lernt man den Wirbeltrick, der den zu Frisierenden suggerieren soll, man wisse alles über ihr Haar. Im ersten Lehrjahr lernt man, über das Wetter zu reden, und im Dritten ist „Dorftratsch – sexuelle Phantasien unter dem Haarbusch“ dran.

Mein alter Freund K. fällt mir ein. Er ist echter Frisör. Er erzählte mir, wie er stundenlang im Türrahmen das Scheren geübt hatte, flinke Hand, Luftgitarre der Barbiertums, quasi. Liebe Frisöre, bitte seid mir nicht böse über diesen verhonepipelnden Fachartikel. Ich weiß, was für ein harter Beruf das ist. Und ich liebe euren Slogan, was Frisöre können, können nur Frisöre.

Nun trocknet die Farbe, während ich den Artikel schnell in das Blog hacke.

Ich finde, Orange steht ihr.

Drei-Jacken-Irgend

Vom Wintervorrat 2013-2014 sind von der ersten Holztranche schon ein Viertel verbrannt. Durch die Grippe war es einfach unpassend, einen auf Frieren zu machen. Manchmal habe ich das Gefühl, ich trage selbst Schuld an der Misere. Hätte ich nicht in Perth in dem feinen Kleiderladen in einer Seitengasse der Fußgängerzone, ist jetzt ein Jahr her, die atemberaubend wetterresistenten Klamotten gekauft, ich Weichei der modernen Liveblogreiseliteratur, müsste ich jetzt nicht unter dieser ewigen Regenwolke laufen. Und mit mir halb Europa. Ich habs vermasselt, als ich mit der goldenen Visakarte knapp 50 Pfund bezahlte und mit auf dem Einkaufszettel stand, sieben Jahre wirst Du unter einer Regenwolke leben. Die Verkäuferin vom Typ Besuch der alten Dame, ritzte mir den Arm. Mit einem goldenen Federkiel schrieb ich YES SIR I WILL. Minuten später wurde ich Zeuge einer echt schottischen Hochzeit vor einem Hotel am River Tay. Alle Männer beeindruckender Weise im Kilt. Ich knipste eine kupferoxidgrüne Bronce auf einem Granitsockel und verließ die Stadt auf dem Flussradweg nach Nordwesten.
Ich muss das nicht erzählen. Aber seither lebe ich in Schlechtwetter, Held in langer Unterhose, Dreitagebärtiger Zeterer an den ewigen Klippen der Wetterkatastrophenvermarktungsindustrie. Hohelied der Larmoyanzblogschreibsphäre-Sänger.
Der Kühlschrank auf der Südterrasse surrt, wozu, wozu, wozu. Die Katze bildet Schwimmhäute aus zwischen ihren ergrauenden Krallen. Und Kiemen. Seltsame Vögel schreien in die Nacht. Ich ziehe die Nase hoch, was ein bisschen klingt, wie das Krahen der Saatkrähen, die sich zu tausenden auf den sumpfigen Maisäckern rings um das einsame Gehöft tummeln. Hitchcock hätte nicht im Traum gedacht, dass seine unheimliche Vision einmal weit abseits der Küste eine neue, ganz andere Qualität gewinnt.
Ich schreibe diese Zeilen nur so aus Lust, stehend am Tresen in der Freilandküche des einsamen Gehöfts. Eine Art Fingerübung, ein Text, der nicht die Ambition hat, verstanden zu werden, oder Sinn zu ergeben. Es ist hmm, Lebenslust mit drei Jacken am Leib und langer Unterhose im infernalischsten aller Jahre.
Zur Krönung schenke ich allen Lesenden generös die Fipptehler, die sich auf dem ins Telefon gehackten Text ergeben haben. Ab damit. Euer Dreijacken-Irgend.

Schon wieder ein Jakobsweg

Open Office bringt mich an den Rand der Verzweiflung. Es scheint jedoch unbedingt nötig, für das geplante Epub von Nach der Schuld ist vor der Schuld (Yet another Saint James), mit diesem Programm zu arbeiten. So extegriere ich gestern Nacht verzweifelt alle Bilder aus dem Dokument, denn die Bildintegration mit der Schreibsoftware will und will nicht mein Freund werden. Ich liebäugele, nach dem Lektorat, das beim Textbüro meines Vertrauens, schriftgut.ch, in allerbesten Händen ist, eine Scribus-Version mit Bildern zu machen, denn das Jakobswegebuch, das ich vor drei Jahren in diesem Blog live veröffentlicht habe, lebt auch von seinen phantastischen Panorama-Aufnahmen. Neben unveröffentlichten Texten, wird die PDF- und für den Druck vorgesehene Version, auch etliche nie gezeigte Bilder enthalten. Yet Another Saint James ist das erste, appspressionistische Buch, das ich einzig auf der Tastatur des Smartphones geschrieben und während des Schreibens veröffentlicht habe. Es sollte Ende Mai erhältlich sein.

Kathedrale Santiago Titel zu Nach der Schuld ist vor der Schuld
Kathedrale Santiago Entwurf für das Titelbild zu „Nach der Schuld ist vor der Schuld“

Auszüge aus dem Sampler, der der Leseprobe angehängt wird.

Du sollst Dir kein Bild machen! Aber Du machst es immer. (…) Versuche nie, den Camino sonntagsfrüh mit Hund zu laufen. (Granon)

Ich fabuliere an einem Blogartikel, in dem ich die Kunst als Glaubensform hochleben lasse und sie auf einen ähnlichen Status hebe, wie das Hilfskonstrukt Gott in den Religionen dieser Erde, merke aber, dass die Kunst bei weitem nicht den Ansprüchen an einen echten Glauben genügt. (Villafrance – die Welt gefriert)

dass all unsere Bilder, die wir uns auf dem Weg erdenken, erschreiben und ertratschen, also die Bilder von unseren Mitpilgern, doch nur ein 800 km langes Kulissenschieben ist.(…)
Der Jakobsweg ist eine riesige Ansammlung von Variablen. (Traumpfade)

Von allen wahren Begebenheiten dieser Erde sind es die Nöte der Anderen, die ich am allerwenigsten wahr haben möchte. (apt-get install alsenztal)

Wie es wohl Menschen ergeht, die ein Lebtag im Nebel leben?
Was, wenn er sich lichtet? (Nieble)

Männliche Pilger überholen andere männliche Pilger im ewigen Camino-Revierkampf und geben nur einen kurzen, gepressten Gruß. Hola. Frauen drehen sich viel öfter um, schauen, ob es den Mitpilgerinnen auch gut geht, tragen füreinander Sorge. (Der weibliche Jakobsweg)

Der Ausbreitversuch für Beton lässt sich eins zu eins auf die menschliche Psyche übertragen. (…) Wir Pilger sind aber keine Abenteuertouristen und unsere Reise führt auch nicht unbedingt durch die echte Welt. Somit ist der Weg nur eine ausgeklügelte Hilfskonstruktion, um die Konsistenz unserer Seelen zu testen. (Ausbreitversuch der Seele)

Es ist, als gerate man in den Sog eines alles verderbenden Strudels, dessen dunkles Auge Santiago ist. (Santa Catalina de Somoza)

Manchmal habe ich das Gefühl, eine unsichtbare Kraft räumt mir den Weg frei. Nicht nur hier, sondern im ganzen Leben. Alles laufe nach einem ausgeklügelten Plan. Zuckerbrot und Peitsche des Schicksals. (…) Der Camino als Parabel für das Leben? Bist du erstmal unterwegs, lebst du erstmal, fragst du nicht mehr nach dem warum und nach der Kraft, die dich antreibt. (Was uns Pilger antreibt)

Irgendwie ist das Cruz auch ein Wurmloch in die Welt, die ich vor der Pilgerei kannte. Die knallharte, kalkulierende Welt, in der man ständig Entscheidungen treffen muss und sich im Schinden um sinnloses Materielles alltäglich aufreibt.

Bewohner sanfter Hügel der Herzen in weitem Nichts – der Begriff Werden findet eine neue Bedeutung und Rinnsäler graben Schluchten über tausende von Generationen. (…) Werbung mit Busen, Po und Fönfrisur für Autos, Billigflüge, Kaffeevollautomaten. (Resozialisierung)

Ist die Landschaft noch so schön. Hinter dem Fotografen könnte eine Müllkippe sein, eine Autobahn, ein Schlachthaus. Auch das geschriebene Bild ist nur eine, von einem Fremden gemachte Stimmung, die du prüfen musst, bevor du sie annimmst. (apt-get install horrorvorstellung)

Das Unvorstellbare fühlt sich ganz natürlich an, wenn man es erst einmal wahr gemacht hat. (Arca (ehemals Next))

Wie Mörtel, den der große Weltenmaurer auf die Wand bringt um Stein für Stein etwas Großes zu schaffen. (Spalier der Bettler)

“Sich an einem Ort befinden ist nicht wie von einem Ort zum anderen zu wollen” (Uff)