Im Ungewissen des englischen Klospülkastens

England ist bald zu Ende. 120 Meilen bis Edinburgh. Und ich habe noch immer nicht die englische Klospülung kapiert! In England ist nämlich nicht nur ‚everything completely different‘, sondern auch die Klospülung. Wir Kontinenter wissen: wenn du den Hebel am Spülkasten drückst, kommt Wasser raus. Wir wissen mittlerweile auch, dass es hochmoderne Kästen mit zwei Knöpfen gibt. Einen Knopf drückst du, wenn du wenig Wasser brauchst, den anderen, wenn du viel Wasser brauchst. Und es ist kein Beinbruch, die Knöpfe einmal zu verwechseln.

An englischen Spülkästen ragt an der Vorderseite rechts, knapp unter der Abdeckung ein L-förmiger Hebel heraus, den man nach Unten drücken kann und dabei passiert nichts, außer, dass ein bisschen Wasser, sagen wir ein Viertelpint, gespült wird. Auch beim zweiten und dritten Drücken des Hebels ist das so. Und wenn man ihn kurz nacheinander zwei Mal drückt, wenn man ihn lang drückt, kurz drückt oder gar SOS morst, es kommt fast immer nur ein Spratz Wasser heraus. Man kann ihn nicht nach oben ziehen. Die erleichternde Nachricht ist, dass es mir bisher immer gelungen ist, eine volle Spülung zu erhalten. Was mich fuchst ist, dass es aber purer Zufall ist, wann das Wasser kommt. Kommt es beim dritten, vierten, fünften Hebeldrücken? In meiner Phantasie verbirgt sich im Ungewissen des englischen Spülkastens eine hochkomplizierte Technik, ähnlich, wie in diesen Filmen, in denen jemand eine Bombe entschärfen muss. Mit Glaszylindern, Pendeln, Leuchtdioden, roten und blauen Drähten, und der Mister Plummer, der Klempner, der die Dinger reparieren muss, ist ein kühner Held, der per Mikrofon und Headset Anweisungen kriegt von einem Sachkundigen ‚da draußen‘. Eine digitale Uhr läuft rückwärts, rote Ziffern, noch 1 Minute 36 Sekunden: „Du musst ein Stück Papier zwischen die Kontakte schieben!“ 1 Minute 8 Sekunden. „Nein, nicht dort, das ist eine Falle!“ 48 Sekunden. Die Hände zittern. „Jetzt den Bypass legen“. 12 Sekunden verstreichen, um zwei Krokodilklemmen an die richtige Stelle zu setzen. Schweiß auf der Stirn. Hände zittern, 36 Sekunden, der Plummer reibt sich den Nacken, Schweiß tropft in die komplexe Kloschüsselmechanik. Bloß keine Erschütterung. 18 Sekunden. „Jetzt den roten Draht durchschneiden, hörst du mich, den roten Draht!“ Die Verbindung ist schlecht, 9 Sekunden, 8, 7, 6. Ratlosigkeit. Hände Zittern, Beißzange am roten Draht, 5, 4, Augen zu, beten, 3 Sekunden, „‚en ‚ten Krächtz …’eiden“, 2 Sekunden. Schnitt. 1 Sekunde. Die Uhr steht still. Es war der blaue. Das Wasser sprudelt.

14 Antworten auf „Im Ungewissen des englischen Klospülkastens“

  1. «Die harder – part 00»

    Oh Gott. Meine Angst, auf Reisen dieses Bodenloch mit Fußstapfen und Haltegriffen anzutreffen …

    Ich liebe die deutsche Porzellan- oder Keramik«kultur» …

    1. Emil, mit dem Porzellan war alles okay. Klassischer Tiefspüler, grün. Nur der geheime Mechanismus im Spülkasten.
      Im Süden, Frankreich oder Spanien, habe ich mal Dein Bodenlochklo erlebt. Der Clou war, dass das Klo auch gleichzeitig die Duschwanne war. Spart Zeit.

  2. Hihi, kenne ich auch:-)

    Hast du mal in einer englischen Dusche gestanden, einer von der Sorte mit Sicherheitsstrippe? Und es kommt kein Wasser, egal was du unternimmst?

    Bill Bryson schreibt in seinem „Reif für die Insel“, wie er die Andersartigkeit der Engländer während seinem ersten Aufenthalt in einem engl. B&B erlebt. Zum kringeln vor Lachen! Deine Berichte finde ich genauso- vergnüglich.

    Jaaaaa, kichern die Buchfeen, „Irgendlinks Genau-So-Geschichten“ lesen wir uns täglich zum Fairyfrühstück vor, die eignen sich zum Durchlesen, Querlesen, Rauf und Runterlesen beim Looping drehen.
    In Norfolk regnet es leider wieder, :-(
    dir wünschen wir warmen Rückenwind, gute Laune, gute Gedanken :-)
    mit lieben Grüßen von Hanne und Klausbernd
    und Feenhauch von Siri und Selma ###

    1. Dina, Klausbernd hat mir die Dusche erklärt. Und das Wissen konnte ich übrigens schon gewinnbringend anwenden.
      Das Bryson-Buch lese ich, wenn ich wieder daheim bin.

  3. :o)

    sprach- und gartenkulturen verschwinden gegenüber klokulturellen fragen und ausführungen- mal sehen wie es dann so in schottland wird… ich grinse immer noch – danke

    1. Lissi, in dem Film Trainspotting gibt es eine Szene, die im dreckigsten Klo Schottlands spielt. Wenn Trainspotting für Schottland so repräsentativ ist, wie Monty Python für England, dann wird das eine harte Zeit.

    1. Szintilla, da mein Hintern ein Teil dieser Welt ist, hast Du wohl mit dem Weltretten begonnen. Weiter so. Du schaffst das.

  4. Well, die enlische Toilettenspülung und englische Duschen sind ein Problem für Ausländer, worüber schon Bill Bryson und Werner Landsburgh schrieben. Hier meine englanderfahrene Anweisung: Fast jede engl. Toilettenspülung klappt, wenn man sich „kurz – lang“ merkt. Einmal schnell kurz heruntergefrückt (nachdem man gedrückt hat ;-) ), dann gleich danach einmal langsam gedrückt, das klappt fast immer. Schon etwas komplizierter ist es mit den Duschen. Wie auch bei mir im Haus muss man oft erst an einer Strippe ziehen, dann geht mirakulös irgendwo ein rotes Licht an der Decke an und danach ist erst die Dusche betriebsbereit. Meine B&B-Gäste vom Kontinent haben da oft große Schwierigkeiten.
    Hier ist gestern unverhofft und plötzlich der Sommer ausgebrochen. Das wünschen Dina, die Buchfeen Siri und Selma und ich dir auch für Schottland. Trockene Wege, Rückenwind und gute Laune und wenn du mutig bist, probier mal Haggis, das schottische Nationalgericht, das – sofern du es runterbekommst – Kalorien bereitstellt, mit denen du hui wie der Wind zu den Shetlands radelst.
    Herzliche Grüße aus Cley next the sea
    Klausbernd

    1. Klausbernd, bitte kein Haggis, neiiin.
      Das Wetter seit sunderland trocken, meist trüb. In der Barn at Beal gegenüber von Holy Island zeigt das Quecksilber 8 Grad (um 7 pm)

  5. endlich mal ein Thema, das mich interessiert ;-)…freu mich schon auf die Berichte über das dreckigste Klo Schottlands…

    eine Perle dieser Artikel

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