Zwischen den Käfigen bist du frei

Widersinnig. Die Tage sind lang und die Nächte sind kurz. Selten komme ich vor 2 Uhr ins Bett. Der Kampf zwischen Dr. Werktätiger und Mr. Künstler brennt. Kaum eine ruhige Minute, den Kopf zu sortieren. Vielleicht rühren daher die Aussetzer. Gestern Abend telefonierte ich mit Cacherfreund W. Als wir auflegten, wollte ich sagen tschüss W., aber verflixt, sein Name fiel mir nicht ein. Das gibts doch nicht. Sorglos machte ich als Ursache für den Aussetzer die Querulenz verantwortlich, dass wir Geocacher stets im Zwiespalt stehen, uns entweder mit Nicknamen oder richtigem Namen anzureden. Da kann schon mal etwas durcheinander kommen und wenn man im kurzen Moment, in dem man ein Telefongespräch beendet, nicht die richtige Variable parat hat, kommt man ins Schwitzen. Ganz natürlich also. Oder etwa nicht? Ich sollte einen Neurologen konsultieren.

Auf der Arbeit sind wir mit Charlotte Roches Feuchtgebiete durch. Das Buch als Hörbuch ist gar nicht mal so übel. Es ist konsequent. Die Autorin hält die gesamte Strecke durch. Das indirekte Ende überrascht. Fazit: auch wenn Herr Ranicki das Buch nicht empfiehlt, es hat seine Berechtigung. Sogar die flapsige Sprechsprache, in der Frau Roche die Handlung erzählt, passt zum Thema.

Nun hören wir Hape Kerkelings „Ich bin dann mal weg“. Zwar auch nur ein Durchschnittsbuch, aber es macht Lust auf DEN WEG. Nicht den Jakobsweg. Der Weg ist eine frei variierbare Verbindung zwischen zwei Käfigen. Der Werktätige kann sich das am ehesten bildlich machen, wenn er sich den einen Käfig als sein Zuhause vorstellt und den anderen als seine Arbeit. Diese Käfige sind Räume begrenzten Daseins. In den Käfigen funktionieren wir Menschen in Enge. Dort sind die Möglichkeiten begrenzt. Ausbruch ist nur bedingt und nur im Geiste möglich. Der Weg, der die Käfige verbindet, unser Arbeitsweg, ist jedoch variabel, bietet Freiheiten (selbst hier scheint des dem ein oder anderen mitunter schwer, sich vorzustellen, dass es mehrere Möglichkeiten gibt). Ich habe es jedoch ausprobiert. Ich habe den Weg zur Arbeit, meinen Weg, auf vielfältige Weise ausgelotet und festgestellt, wenn man nur frei genug denkt, bietet die Strecke unzählige Möglichkeiten: ich kann mit dem Fahrrad fahren, dabei verschiedene Routen ausprobieren, von denen sich eine als die schnellste, die andere als die bequemste, die nächste als die interessanteste zeigt. Ich kann mit dem Auto fahren. Hierbei ist man etwas eingeschränkter. Menschen, die mit dem Auto zur Arbeit fahren, haben in der Regel nur einen Weg, denn das Auto ist des Weges Feind. Das Auto ist ein beweglicher Käfig. Für Autofahrer gibt es keinen Weg; es gibt nur das Ziel. Busfahren ist eine weitere Variante. Als Hofbewohner muss ich erst einmal eine halbe Stunde laufen bis zur nächsten Bushaltestelle. Die 511. Die 511 bringt mich in die Kreisstadt H. Von dort kann ich wahlweise mit Linie 505, 508 oder der DB fahren. Drei kleine Abenteuer zweifellos.

Was mir an Hape Kerkelings Jakobswegbuch so gut gefällt, ist die Erkenntnis des Tages, mit der er jeden Eintrag in sein Reisetagebuch garniert.

Erkenntnis des Tages: zwischen den Käfigen bist du frei. Zweite Erkenntnis des Tages: ich sollte jemanden konsultieren, bloß wen?

2 Antworten auf „Zwischen den Käfigen bist du frei“

  1. Ich hab mir beide Bücher angehört.Jaja..ich bin schon eine weile mehr Hörer als Leser und es macht Spass.
    Mir gefällt die Erkenntnis des Tages auch sehr..sollte ich auch einführen.Gibt ja jeden Tag was zu erkennen.
    Auch seine Offenheit und sein Wehleiden find ich herrlich.Es hat ihn verändert.Ist doch super.und seine Freundinnen……oh jetzt sag ich aber nix mehr..ich weis ja nicht wo ihr schon seid mit dem Buchhören.

    Ganz ein schöner Tag und liebe Grüsse
    Manuela/Nela

  2. Guten Tag!

    Du sprichst mir aus der Seele. Das mit den Käfigen. Das ist einfach so einfach, dass es wieder kompliziert wird.
    Und einen Nachtrag hab ich auch noch: Verdachte ist richtig. Verdächte geht sogar auch!

    Liebe Grüße und schöne Weihnachten!
    Kati :)

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