Im Nichtsraum zwischen Worten und Bildern

Den ganzen Tag lief im Hintergrund meines Kopfes ein Gedankensammelsurium zum Thema Steganografie, dem Verstecken von Texten in Bildern, oder Musikdateien. Ich vertehe es nicht und kann es somit auch nicht erklären. Menschen mit IQ ab 130 können sich jedoch in die Materie einarbeiten, wenn sie möchten.

Hängengeblieben auf dem Rauschen, welches man von Digitalfotos kennt, und welches es ermöglicht, Texte huckepack in Bildern unterzubringen, dachte ich morgens: „Das Rauschen, also die Ungenauigkeit, mit der Daten gespeichert werden, gibt es nicht nur bei Computern und Maschinen, es ist auch zwischen uns Menschen.“ Sobald ein Mensch einem anderen etwas zu erklären versucht – so wie ich dies jetzt versuche – streut er automatisch auch einen gewissen Prozentsatz Falsch-verstanden-werden in die Welt. Das Wort, das gesendet wird, kommt zwar beim Empfänger an, aber es ist nicht mehr das Wort, das der Sender gesendet hat. Unschärfe schleicht sich ein und Missverständnisse. In dem kleinen Bereich des Missverstehens liegt viel Kraft für eigene Interpretation.

Als ich kürzlich die Lesung von Lyrikerin E. hörte, wurde mir das klar. Sie las Texte, die sie womöglich selbst nicht mehr verstehen konnte (wenn man sich seine alten Tagebücher betrachtet, wird man diese Erfahrung machen – man versteht manchmal nicht, was man ausdrücken wollte, als man es zehn Jahre zuvor geschrieben hat). Dichterin E las wirres Zeug, aneinander gereihte Assoziationen. Definitiv Kunst. Aber das Gegenüber, wir, die Zuhörer, hatten keine Chance etwas zu verstehen. Uns blieb nur, den Worten zu lauschen, und sich am Klang zu erfreuen. Am Klang der Worte kann sich jedoch nur derjenige erfreuen, der nicht versucht, zu verstehen. Genauso verhält es sich mit der Bildenden Kunst, insbesondere dem Abstrakten. Sobald du versuchst, ein buntes Bild zu verstehen, setzst du Kräfte in Gang, die dir den Genuss vermiesen.

Ich glaube, wir müssen den Mut aufbringen, nicht zu verstehen, nicht zu erklären, auch mal den Rücken zu kehren, wenn uns etwas unschlüssig ist.

Im Nichtsraum zwischen den Worten und Bildern entsteht ein hohes Potential, sagen wir Speicherkapazität, für Unsichtbares. Die eigenen Gedanken reiten huckepack auf den Informationen, die alltäglich auf uns niederprasseln.

Gehen sie verloren? Verschwinden mit all dem Nichtverstandenen?

Nein. Sie prägen uns. Sie machen uns zu dem was wir sind, Individuen mit eigenen Ideen und Vorstellungen von der Welt.

Nachmittags löste ich einige technische Probleme, hatte mir das Apache-Webserver-Buch vorgeknöpft, versuchte die Maschine, auf der ich arbeite, zu verstehen. Es ist mühsam und ich bin heilfroh, dass der zweitbilligste Server der Welt, auf dem dieses Weblog liegt, einfach so läuft.

Stets die Idee vom großen, unerklärlichen Rauschen vor Augen, welches bei angemessener Ressourcenverwaltung genutzt werden kann, um Informationen zu verstecken; welches Freiräume erzeugt für eigenes Handeln. In der menschlichen Kommunikation liegt weit größers Potenzial, als man glaubt.

Nun darf man natürlich nicht versuchen, diesen Text zu verstehen – versteht ihn der Autor noch nicht einmal selbst. Man sollte dies als eine Skizze sehen, eine erste Kritzelei am Anfang einer Spur.

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