Zwölf Stunden in einer Höhle, den Tod vor Augen

Nun dämmerts mir, warum ich all die Jahre seit 2000 nicht mehr rausgekommen bin, nur hie und da mal ein zwei Wochen in die Schweiz  radelte, das Land nicht verlassen habe und auf der Stelle getreten bin. Es sind die kleinen, feinen Termine, die das Leben zerstückeln, es in mundgerechte Portionen teilen. Eine coole Party hier, eine interessante Kunstausstellungsbeteiligung da, vom Arbeiten einmal ganz abgesehen.

Derzeit flattern viele interessante Briefe und Mails ein, die mir vorgaukeln, Mann, irgendlink, wenn du denn halben März, und den gesamten April und Mai dein Leben draußen in Europa vergeudest, dann versäumst du aber Gewaltiges. Zum Beispiel die, als Klassiker geltende Karfreitagsparty in der Kreuzberg-WG. Einfach ein Muss. Phototage in Pirmasens, sowie, der Gesundheit zu Liebe eine Woche Krankenhaus (der Doktor gab jedoch grünes Licht und sagte, kommense im Juni, ist ja nicht so schlimm). Letztlich wird es auch kein Kunstprogramm auf dem einsamen Gehöft geben, was wohl die schlimmste Zäsur ist … nein, nicht ganz. Im April findet in der Kreisstadt H., gleich nebenan ein äußerst interessantes Kunstereignis statt. Ich wurde eingeladen, an einem Projekt teilzunehmen im Rahmen einer Anne Frank Ausstellung. Der Ansatz des Projekts geht von der Situation aus, unter der Anne Frank ihr später weltweit beachtetes Tagebuch schrieb. Da es im Verborgenen unter ständiger Angst geschrieben wurde, und der Auseinandersetzung mit dem täglichen Leben in einer restriktiven Gesellschaft diente, haben die Organisatoren sich überlegt, Künstlerinnen und Künstler eine Nacht lang für zwölf Stunden in die Höhlen unter der Stadt zu bitten, um dort mit künstlerischen Mitteln auszudrücken, was kreativ tätige Menschen unter räumlich und zeitlich begrenzten Bedingungen hervorbringen.

Vor über zehn Jahren hatte ich schon einmal die Phantasie, eine gewisse Zeit im Düstren in einer Kammer oder gar einer Höhle konsequent und ohne Unterbrechung zu schreiben.

Ich weiß nicht, was dabei herausgekommen wäre. Ich weiß auch nicht, was heutzutage dabei herauskäme. Alleine die Vorstellung, man hat vielleicht wirklich nur noch zwölf Stunden Zeit und bis dahin muss alles erledigt sein, was man im Leben gerne getan haben würde, schnürt mir die Kehle zu. Vielleicht verfiele man in lähmende Angst, säße in der Hocke, murmelte seltsame Worte, betete?

Es ist jedoch gut, nach Italien zu fahren. Vielleicht ist es meine ganz persönliche Simulation, was würde ich tun, wenn mir nur noch zwei Monate Zeit blieben? Viel Zeit zum Nachdenken wird es bei einer solchen Alleinereise allenfalls geben. Und wer weiß, vielleicht führe ich das Experiment mit Stift und Kladde ja in einer coolen Höhle direkt am Meer in Gargano durch? Es wären ja nur 12 Stunden während einer ellenlangen Reise.

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