Vom Sinn

Ziemlich pervers, bei dem schönen Wetter am PC zu hocken. Dazu muss ich mich wirklich zwingen. Das Leben besteht aus Debit und Credit. Kaufe mir mit dem heutigen Akt zwei freie Tage nächste Woche. Bastele Flyer fürs Atelierfest im September und gebe einem Plakat den letzten Schliff, damit mein Auftraggeber morgen, wenn er aus dem Urlaub kommt, etwas auf dem Schreibtisch hat.

Ein Hohn: das Plakat weist auf eine Podiumsdiskussion zum Thema verkaufsoffene Sonntage hin und ich höchst persönlich schwitze darüber an einem Sonntag. Wie unchristlich muss man denn sein? Frühmorgens schon mit der Kreissäge hantiert und einen Stapel Winterholz kleingesägt. Der lag vor der Haustür. Viele kleine Knüppel. Dabei hatte ich Gelegenheit über den Sinn einer Arbeit nachzudenken. „Das macht doch keinen Sinn,“ dachte ich, „in der Zeit, in der du den Kleinkram zerstückelst, hättest du gut und gerne das Doppelte geschafft, wenn es normale Holzscheite wären. Das ist unwirtschaftlich.“ Vor mich hinbrummelnd im Kreischen der Kreissäge haderte ich mit meinem Vater, der mir das Ganze eingebrockt hat. Vorgestern kippte er den Stapel vor die Tür. Ja, da hab ich mal nen großen Stapel Holz vor der Hütte.

Anyway: vom Sinn einer Arbeit philosophierte ich und dachte dabei an die armen Harz-Vier-Teufel, die teils hochqualifiziert, aber irgendwie durchs Sieb der Marktwirtschaft gerasselt, billigste Handlangertätigkeiten erledigen müssen und sich mehr als oft nach dem Sinn fragen.

Arbeiten macht im Grund spaß. Aber der Mensch, der sie ausführt muss darin einen Sinn sehen. Dies kann auf zwei Wege geschehen: entweder die Arbeit ansich ist sinnvoll, oder man wird dafür bezahlt. Die gute M. zum Beispiel, treue Seele, hat kürzlich im familiären Betrieb Hand angelegt und eine Drecksarbeit erledigt. Schön und gut. Sie hat es gerne getan. Der Sinn lag wohl darin, jemandem etwas Gutes zu tun. Reicht ja auch. Geld wollte sie keins. Irgendwer kam allerdings auf die Idee, man könne ihr doch Geld geben, so eine Art Dankeschön, oder einen Blumenstrauß. Die Diskussion war kurz und hitzig. Der Betriebsleiter wollte ihr kein Geld geben, weil er eine andere Idee hatte, wie denn die Arbeit viel wirtschaftlicher erledigt werden könnte. (Das heißt: der Betriebsleiter hätte die Arbeit so nicht erledigt wie es M. tat, sondern auf seine Art – die Art wie man etwas tut, hängt also mit dem Sinn zusammen; wenn zwei Menschen auf verschiedene Weisen ein und dieselbe Arbeit erledigen und letztlich zu dem selben Resultat kommen: Arbeit-ist-erledigt, dann ist das noch lange nicht das Gleiche; es ist jedoch hochnäsig und verbohrt, zu sagen, das was du tust ist sinnlos, ich kann das besser, schneller, schöner – deine Arbeit ist nichts wert, weil du sie nicht so ausführst, wie ich das machen würde. Ich fragte, um wieviel Geld es denn gehe. Die Antwort: Zwei Euro die Stunde.

Vielleicht sind diese Hinweise ein Ansatz, die schlimme Krankheit, die die Gesellschaft befallen hat zu diagnostizieren.

Zurück zur Kreissäge. Aus einem der modrigen Stämme retteten sich ein paar Ameisen auf meinen Körper, piesackten mich. Also zog ich das Hemd aus, machte eine Pause, beruhigte mich, starrte auf den großen Stapel Holz vor meiner Hütte und wie er den Eingang blockierte. Da fiel es mir wie Schuppen von den Augen: klar macht das Sinn. Das Holz muss weg, sonst bricht man sich noch die Beine, wenn man mich besucht. Von da an war es ziemlich einfach, die Arbeit zu erledigen.

Ich stelle fest: egal was man tut, es geht nur dann leicht, wenn man darin einen Sinn sieht.

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