Zweibrücker Trichter – Final

Begab sich, dass ich aus purer Gutmütigkeit und weil es auf dem Weg lag, für Künstler Sch. den Zweibrücker Trichter zur Ausstellung brachte. Da hatte ich aber die Rechnung ohne den Künstler gemacht. Er drückte mir eine Bohrmaschine in die Hand und 50 kg Quarzsand: „Da! Bohr‘ ein Loch und füll‘ das ein.“ Ich glaube, er sagte .Bitte. Zumindest lächelte er treu.

Bohr ich also Loch in die 25.000 Euro Skulptur, stecke den Trichter rein, Sand rinnt wie Zeit, aber langsam.

Während der Sand rinnt – und das dauerte gut und gerne eine dreiviertel Stunde – habe ich Zeit, über Zeit nachzudenken und über Sand und wie alles rinnt und vergeht im Leben. Die Sonne brennt. Die verrostete Skulptur fühlt sich warm an wie Körper. Langsam rieselt der Sand, ein akustisches Erlebnis, wenn man genau hinhört. Gebückt stehe ich über dem Stahlkollos. Mein Kreuz schmerzt. In der Ausstellungshalle schwitzen die Kollegen und arrangieren Bronzen zu harmonischen Ensembles. Ich verfluche diese Nichtstuer, weil sie nicht wie ich mitansehen müssen wie die Zeit rinnt.

Oder der Quarzsand. Einige Kilo gehen daneben, füllen meine Schuhe, setzen sich ins Gewebe der schmutzigen Jeans. Die Uhr schlägt Zwölf, Viertelnach, Halbeins, fertig. Ich ziehe den Zweibrücker Trichter aus dem Loch.

Um eine Erfahrung reicher. Was für eine Erfahrung? Gibst Du den Finger, nimmt man die Hand. Gibst du die Hand, kost’s den Arm. Gib mir ’ne Stunde und ich stehl‘ dir den Tag. Gib mir nen Tag und ’ne Woche und pack‘ noch ein paar Monate drauf, dann nehm ich dein Leben?

Künstler Sch. sagte: „Danke! Danke, Mann.“ Und ich weiß, es war nur ein Tausch.

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