Eichhörnchensklaverei

QQlka wohnt seit dem Atelierefest Mitte September in seinem Zelt unten auf der Südterrasse. Er hat eine echte Matratze in seinem Domizil und fühlt sich pudelwohl. Tagein tagaus sitzt er unter dem Vordach und malt an seinen Traktorkatastrophen. Ich mag es, ihm zuzusehen, wie er Strich um Strich setzt und ganz langsam das Unsichtbare sichtbar macht.

Das Eichhörnchen balanciert im Nussbaum und beobachtet ihn. Ab und zu pflückt es eine Walnuss, schließlich muss man an den langen harten Winter denken, wenn man ein Eichhörnchen ist. Die Nüsse knallen auf den Boden. QQlka verlässt die Staffelei und hebt die Nüsse auf. Schließlich müssen auch wir an den Winter denken. Das Eichhörnchen findet das gar nicht gut und kommentiert den Nussraub mit fiesem Fauchen.

’s Pund ä Schdund

Ich muss etwas weiter ausholen. Ungefähr bis zu jenem Tag im Frühjahr, als eine meiner drei Lieblingstanten, G. aus der Pirmasenser Geldlinie, auf dem einsamen Gehöft auftauchte, um Johannisbeeren zu ernten. Damit wollte sie Marmelade kochen. Gebückt stand sie über den Sträuchern. Mein Vater beobachtete sie bei der Arbeit. Als sie fertig war, präsentierte sie stolz den Eimer. „Wir wiegen sie,“ sagte mein Vater. G. antwortete: „Ist nicht nötig, pro Pund ä Schtund (hochdeutsch: pro Pfund eine Stunde).“ Das sei eine Faustregel. Sie schaute auf die Uhr: „Zwei Pfund.“

Seit dem hat mein Vater diese gute Regel geradezu perpetuiert und wendet sie auf alle möglichen Situationen des Lebens an. Neulich hielt er ein Stück Butter in den Händen und skandierte wahllos, nicht ohne Schmunzeln, „’s Pund ä Schtund.“ Auch beim Holzhacken, weiß er geschickt diese Regel anzuwenden, und als neulich im Fernsehen ein Bericht über Fort Knox gezeigt wurde – all das Gold – sagte er: „’s Pund ä Schtund.“

Nun begab es sich, dass wir heute Nachmittag in der Galerie Beck diskutierten, wie denn die Bildtafeln des Bliestallabyrinths zu hängen seien und der Galerist von Nägeln schwärmte, die man in die Wand treiben könnte, ich ihn darauf aufmerksam machte, dass es keine Aquarelle sind, die man da aufhängt, sondern gediegene Hartholzträger und die werden schon einiges wiegen. „Wieviel?“ fragte er. „10 Kilo,“ sagte ich, „es könnten aber auch 20 sein.“

„Wir nehmen Schrauben,“ sagte er.

Wieder zu Hause, wollte ich es genau wissen, stellte ein Bild auf die Personenwaage. Sie zeigte elf Kilo. Die multiplizierte ich mit der Anzahl der Bilder, kam auf 110 Kilo und addierte noch eine Toleranz. Das ganze Mal zwei istgleich  240 Pfund. Dies trifft auch in ungefähr die Arbeitsstunden, die im Bliestallabyrinth stecken.

Meine dritte Lieblingstante ist eine weise Frau, eine sehr weise.

Die Lösung des Ü-Problems

Schon war ich versucht, mir die 540 Dateien händisch vorzuknöpfen, da fiel mir ein, der Phase5 Editor hat einen Automatismus, welcher sämtliche Umlaute beim Öfnnen einer Datei als lesbare Umlaute darstellt. Ein Ü ist also ein Ü und nicht wie in HTML üblich ein Ü.

Beim Schließen konvertiert er die Üs wieder in die HTML-Schreibweise.

Diesen Automatismus kann man gnädiger Weise abschalten und dann die Üs per Masseneditierer löschen.

Flap-Flap, fertig war die CD.

Nun noch schnell duschen und ab zu den Becks.

540 Üs löschen

Gut. Die Kunstverstecke sind ausbaldowert. Die drei letzten Bilder des Labyrinths hab ich gegen Abend vor der Galerie Beck geschossen. Die Länge des Labyrinths ist nun auch klar: 40,13 Kilometer.

Nachher Termin bei den Galeristen, dann muss ich die CD abliefern. Problem: 540 Üs stehen noch in den Dateien und der Phase5-Masseneditor schafft es nicht, die Dinger rauszulöschen. Entweder bleiben sie drin, oder ich muss es von Hand tun. Warum löscht dieser Editor keine Üs, respektive die HTML-Version des Üs, welches ü geschrieben wird?

Ich bin froh über meine Arbeit. Stelle fest, dass es ein Prinzip ist, die Dinge massenhaft vor sich herzuwälzen, ähnlich wie ein Gletscher dies mit seiner Endmoräne tut. Mein Material ist natürlich nicht klein geriebener Fels, sondern es sind Fotos und Texte. Wenn die Zeit reif ist, fegt man die Massen zusammen und gibt ihnen ein Gesicht. Aus vollkommen Chaotischem entsteht ein klares Bild. Die Kunst wird sichtbar.

So werde ich es auch mit dem Buch „Straße nach Gibraltar“ halten, welches ich noch dieses Jahr zu Ende schreiben will.

Was mache ich nun mit den hässlichen Üs?

Versteckte Kunst

Bis drei Uhr nachts geschuftet an der CD. Nun ist sie fertig. Leider durch eine Lücke im Programm sämtliche Image-Tags (die Dinger, die auf einer Homepage machen, dass Bilder angezeigt werden) in nicht-XHTML-konformer Form eingefügt. Bei der Menge an Bildern ist das auf die Schnelle nicht zu ändern, stört aber auch nicht. Wirf einfach den Anspruch, perfektes HTML zu schreiben über Bord.
Die Massen-Editierfunktion des Phase5-Editors kann zwar viel, aber mit Wildcards kann sie nicht umgehn (oder gibts eine neue Version, die das kann?). Ein einzelnes überflüssiges Ü steht auch noch in 500 Dateien. Umlaute kann der Editor nämlich auch nicht mittels Massen-Editierfunktion ersetzen.
Künstlergeplänkel. Das Labyrinth beschäftigt mich nun voll und ganz, so dass ich nach 5 Stunden schon wieder hellwach bin. Zufrieden mit der gestrigen Arbeit.

Heute gehts entspannter zu. Ich muss nämlich radeln, um zu arbeiten. Das Labyrinth im südöstlichen Teil, meist über Waldwege, abklappern und nach geeigneten Erdverstecken suchen. Einige Bilder der Ausstellung werden im Wald versteckt. Man kauft die CD mit der Wegbeschreibung. Das verzahnt das konventionelle Vernissagenevent mit dem echten Bliestallabyrinth.

Außerdem fehlen noch drei Bilder, die ich im Frühjahr nicht gemacht habe, weil vor der Galerie ein Sperrmüllhaufen lag und ich den Galeristen nicht antun wollte, dass das Eingangsportal anlässlich des 40-jährigen Galeriejubiläums mit Müll vornedran gezeigt wird. Ich bin eben sensibel.