Jazzer können länger

Wieder so spät. Bin nicht müde. Jazzfestival zweiter Tag. Die üblichen Backstageverrichtungen. Diesmal mit Englisch und Französisch- Einlagen. Die berühmte amerikanische Band kam viel zu spät. Ohne Soundcheck auf die Bühne. Das macht die Profis aus. Sie stellen sich hin, spielen und hören nicht mehr auf. Zwischendruch kam der Trompeter herunter in die Graderobe, um sich eine neue Flasche Rotwein zu holen. Retour ins Rampenlicht zur zweiten, dritten oder vierten Zugabe. Das Publikum war begeistert. Der Preis der Kunst ist hoch. Die Techniker und Serviceleute zahlen ihn. Nicht auszudenken, wie der Tontechniker im Blindflug abgemischt haben mochte. Er hat seine Sache gut gemacht. Die Chefin hing erschöpft auf einem Stuhl hinter der Bühne. Vermutlich betete sie bei jeder Zugabe, dass es die Letzte sei (versteht mich nicht falsch, sie spielten nicht schlecht, sondern lang). Später setzten sich die Musiker im Backstage fest wie Cholesterin in verhärteten Adern. Die Hausmeister lauerten auf dem Flur. Der Koch ging an Krücken. ich hatte den Kopf in die Hände gestützt, lauschte den abenteuerlichen Berichten des roten Tourmangers. Ein redseliger Schwabe mit dunkler Brille, der die halbe Welt gesehen hat. Der Trompeter verlangte nach einem Suppenteller und vergaß Suppe einzufüllen. Energisch schwätzte er mit dem Pianisten. Gegen Zwei räumten die Hausmeister mit Gepolter das Leergut vom Tisch, klapperten mit dem Schlüssel. Ich tat es ihnen gleich, räumte Dinge von A nach B und wieder zurück, um eine ungemütliche Athmosphäre zu erzeugen. Dann sprach sich herum, es werde gejammt in einem Club nebenan. Der Trompeter nahm sich eine Flasche Wein und alle Musiker eilten dorthin. Ich rede von über siebzigjährigen kernigen Typen. Man sagt, einer von ihnen müsse nach jeder Vorstellung zur Dialyse.

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